Aufarbeitung des Dammbruchs in Brumadinho Versunken in Schlamm und Akten

Brumadinho · Vor einem Jahr brach der Damm der Mine Córrego do Feijão in Brasilien. 270 Menschen starben. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.

  Feuerwehrleute bergen im Januar 2019 im brasilianischen Brumadinho mit einem Hubschrauber ein Opfer aus dem Schlamm. Die Dämme eines Rückhaltebeckens der Eisenerzmine Córrego do Feijão waren kurz zuvor gebrochen.

Feuerwehrleute bergen im Januar 2019 im brasilianischen Brumadinho mit einem Hubschrauber ein Opfer aus dem Schlamm. Die Dämme eines Rückhaltebeckens der Eisenerzmine Córrego do Feijão waren kurz zuvor gebrochen.

Foto: dpa/Rodney Costa

Kurz vor dem Jahrestag des Dammbruchs in Brumadinho hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den brasilianischen Bergbaukonzern Vale und die Tochterfirma des deutschen Prüfunternehmens Tüv Süd sowie 16 Mitarbeiter der beiden Firmen erhoben. Den Mitarbeitern von Vale und Tüv Süd Bureau de Projetos e Consultoria Ltda. werde Mord in 270 Fällen vorgeworfen, teilte die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Minas Gerais am Dienstag mit. Die beiden Unternehmen werden zudem wegen Verbrechen gegen die Flora und die Fauna sowie wegen Umweltverschmutzung angeklagt.

Von elf Verschütteten fehlt auch noch nach einem Jahr jede Spur. Tag für Tag suchen die Feuerwehrleute in Brumadinho unter Schlamm und Geröll nach den letzten Vermissten des Dammbruchs, auch an Weihnachten gruben sie weiter. „Ich will diesen Familien eine Antwort geben“, sagte eine Feuerwehrfrau. „Wir werden nicht aufhören, bis die elf Familien Gewissheit haben.“ Der Damm an der Mine Córrego do Feijão brach am 25. Januar 2019. Eine Schlammlawine rollte über Teile der Anlage und benachbarte Siedlungen nahe der Ortschaft Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais hinweg und begrub Menschen, Häuser und Tiere unter sich. 270 Menschen verloren ihr Leben. Die Leichen von 259 wurden geborgen und identifiziert.

Rund 3200 Feuerwehrleute beteiligten sich in den vergangenen zwölf Monaten an den Sucharbeiten. Sieben Millionen Quadratmeter wurden abgesucht. „Wir werden so lange weitermachen, wie wir die Elf gefunden haben oder die Polizei die Überreste nicht mehr identifizieren kann“, sagte Feuerwehrchef Edgard Estevo. Derweil wühlen sich die Ermittler durch Akten, Gutachten und Dokumente, um die Verantwortlichen zu identifizieren. Über 40 Spezialisten sichten derzeit rund 80 Millionen Dokumente. Die Ermittlungen richten sich vor allem gegen den Betreiber der Mine, den brasilianischen Konzern Vale, eines der größten Bergbauunternehmen der Welt, und das Tochterunternehmen des deutschen Tüv Süd, das kurz vor dem Dammbruch die Rückhaltebecken geprüft und für sicher befunden hatte. Laut Staatsanwaltschaft wurde das Zertifikat ausgestellt, obwohl dem Tüv der schlechte Zustand der Anlage und das Risiko bewusst waren. Ein verantwortlicher Prüfer hatte in Vernehmungen erklärt, sich von Vertretern des Minenbetreibers Vale unter Druck gesetzt gefühlt zu haben.

In Deutschland hatten 2019 fünf Hinterbliebene Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung und Bestechung gegen den Tüv Süd und einen seiner Manager gestellt. „Tüv Süd wusste, dass der Damm ein Sicherheitsrisiko barg, trotzdem wurde die Stabilitätserklärung ausgestellt“, sagte eine der Anzeigeerstatterinnen, Marcela Nayara Rodrigues. Für sie sei die Anzeige eine persönliche Angelegenheit: „Weil mein Vater beim Dammbruch getötet wurde und weil sich das korrupte Geschäft mit der Sicherheit ändern muss, denn es zerstört unsere Leben und unseren Planeten.“ Tüv Süd erklärte sich bei der Aufarbeitung des Unglücks zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit. „Unser großes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien“, teilte der Tüv Süd mit. Unterdessen ringen die Familien der Opfer in Brasilien um eine gemeinsame Entschädigung. Bislang setzt Vale auf Verhandlungen mit einzelnen Opferfamilien. „Das Ziel war, die kurzfristigen Ausgaben der Familien, landwirtschaftlichen Produzenten und Händler in Brumadinho zu decken“, erklärte Vale.

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