Mutti braucht mehr als Blumen

Berlin/Münster · Bezahlte Arbeit genießt in unserer Gesellschaft hohe Anerkennung. Aber wie ist das mit der Arbeit in der Familie, die oft von Müttern geleistet wird? An einem Tag im Jahr wird die besonders wertgeschätzt.

Elisabeth Weiß genießt es, am Muttertag mal länger im Bett liegenzubleiben. Ihre drei Kinder decken dann den Frühstückstisch und holen frische Brötchen vom Bäcker. Kleine selbst gebastelte Geschenke liegen auf dem Tisch. Ihr Mann hat einen Strauß Blumen besorgt. "Ich finde es schön, mal verwöhnt zu werden", sagt die 41-Jährige.

Der Muttertag hat eine lange Tradition. Erfunden wurde er von der amerikanischen Methodistin Anna Marie Jarvis, die sich mit großer Leidenschaft dafür einsetzte, einen offiziellen Tag zu Ehren der Mutter zu schaffen. Und tatsächlich verabschiedete der US-Kongress vor 100 Jahren, am 8. Mai 1914, eine Resolution, die festlegte, dass fortan der zweite Sonntag im Mai als Muttertag gefeiert werden sollte. In Deutschland hielt der Muttertag 1922/ 23 Einzug, und zwar auf Betreiben des Verbands Deutscher Blumengeschäftsinhaber. Bis heute wird den Müttern vor allem mit Blumen gedankt. Während der Nazi-Zeit wurde der Muttertag vom NS-Regime instrumentalisiert und als "Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter" begangen. Seine Tradition in Deutschland ist also nicht die beste: Aus kommerziellen Gründen eingeführt und dann ideologisch missbraucht - ist ein solcher Feiertag eigentlich noch sinnvoll? "Absolut", findet Anne Schilling, die Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks. "Er ist nichtsdestotrotz eine schöne Geste." Der Muttertag funktioniere als Impulsgeber: "Einmal im Jahr erinnert er an die Situation der Mütter." Und Schilling findet es wichtig, auf die Rolle von Müttern in der modernen Gesellschaft aufmerksam zu machen: "Es gibt immer höhere Ansprüche auf beruflicher und privater Ebene." Frauen müssten für den Partner attraktiv bleiben, eine gute Mutter sein, die ihre Kinder auf allen Ebenen fördere, sich gleichzeitig um die pflegebedürftigen Eltern kümmern und auch beruflich erfolgreich sein. "Frauen denken zuerst an die Kinder, dann an den Partner und ganz zum Schluss an sich selbst", sagt sie. Dabei seien über zwei Millionen Mütter in Deutschland dringend kurbedürftig, aber nur fünf Prozent davon gönnten sich tatsächlich eine Kur. "Die Folgen davon sind Stress- oder Burn-out-Symptome", weiß Schilling. Wer am Muttertag etwas schenken will, der solle sich laut Schilling darüber Gedanken machen, wie man Mütter sinnvoll unterstützen kann - gesamtgesellschaftlich und in der eigenen Familie. All jenen, die noch nach einem Geschenk such en, empfiehlt sie einen Gutschein für regelmäßiges Spülmaschinenausräumen oder Tischdecken. Das sei dann konkrete Unterstützung.

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