Muttermilch soll Mini-Vierlinge aufpäppeln

Berlin · Drei winzige Jungen und ein Mädchen hat eine 65-jährige Berlinerin vor einer Woche geboren – gezeugt aus Samen- und Eizellspenden in der Ukraine. Die Sensation war groß, aber auch die Kritik.

Es geht ihnen gut, aber über den Berg sind sie noch lange nicht: Neeta, Dries, Bence und Fjonn, geboren mit zarten 655 bis 960 Gramm und nur 30 bis 35 Zentimeter lang, kämpfen sich ins Leben. Die Berliner Vierlinge sind weltweit einzigartig, weil ihre Mutter, die Berliner Lehrerin Annegret R., sie mit 65 Jahren zur Welt brachte - rund 15 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, berichteten gestern die behandelnden Ärzte. "Die Kinder benötigen viel Aufmerksamkeit und eine intensive Behandlung", sagt Professor Christoph Bührer, Neonatologie-Chef der Berliner Charité, wo das Vierlingsquartett versorgt wird. Eine Prognose ist schwierig, die Gefahr für bleibende Schäden oder Entwicklungsverzögerungen hoch. Eines bekommen sie jetzt schon: Muttermilch, tröpfchenweise und per Magensonde. "Erstaunlicherweise funktionierte das bei der Mutter ganz ohne Hormongabe. Jetzt pumpt sie ab", berichtet Professor Wolfgang Henrich, Direktor der Charité-Klinik für Geburtsmedizin. Generell habe die 65-Jährige, die bereits 13 große Kinder hat, die Schwangerschaft erstaunlich gut bewältigt. "Sie stellte sich uns nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel vor. Alles war völlig zeitgerecht und unauffällig." Auch der große Ultraschall in der 22. Schwangerschaftswoche war noch völlig unauffällig.

"Wir wissen aber, dass das gesundheitliche Risiko bei Mehrlingsschwangerschaften deutlich höher ist, die Gefahr für Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes oder Thrombosen gesteigert", berichtet Henrich. Am Tag vor der Geburt habe sich Annegret R. in der Klinik vorgestellt, weil es ihr nicht gut ging: Bluthochdruck. In der Nacht setzten dann vorzeitige Wehen ein. "Für uns blieb trotzdem noch genug Zeit, die Entbindung gründlich vorzubereiten", sagt Henrich.

Das heißt: Die Babys bekamen noch im Mutterleib ein Mittel zur Lungenreifung gespritzt, vier mehrköpfige OP-Teams mussten bereitgestellt werden. "Dann haben wir die vier am Dienstag um 11 Uhr im Minutentakt auf die Welt geholt", berichtet Henrich. Der OP wurde auf 37 Grad hochgeheizt. Alles lief gut, zwei der Kinder atmeten von Anfang an spontan.

Annegret R. wurde nach der Entbindung zwei Tage auf der Intensivstation überwacht. "Sie hat sich exzellent erholt und ist mehrmals täglich bei ihren Kindern", berichtet Henrich. "Es geht mir jeden Tag besser", sagte Annegret R. gestern.

Kritik an den Umständen der Vierlingszeugung wollen die Charité-Ärzte nicht üben. "Für uns steht das Wohl der Kinder im Mittelpunkt", betont Bührer. Auch Henrich möchte sich nicht negativ äußern. "Wir müssen aber eine gesellschaftliche Diskussion führen mit dem unbedingten Ziel, Frauen das Kinderkriegen in einer früheren Phase zu erleichtern."

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