Münchens Dächer in Flammen

München. Fingerdicke Schaufensterscheiben sind geborsten, Splitter und Scherben übersäen den Asphalt. Aus den Angeln gesprengte Haustüren und Fenster baumeln im Wind. Am Tag nach der gezielten Sprengung einer gefährlichen Fliegerbombe mitten im Münchner Szenestadtteil Schwabing liegt noch immer Brandgeruch in der Luft

München. Fingerdicke Schaufensterscheiben sind geborsten, Splitter und Scherben übersäen den Asphalt. Aus den Angeln gesprengte Haustüren und Fenster baumeln im Wind. Am Tag nach der gezielten Sprengung einer gefährlichen Fliegerbombe mitten im Münchner Szenestadtteil Schwabing liegt noch immer Brandgeruch in der Luft.Absperrbänder, Hunderte Sandsäcke und Dutzende Einsatzwagen erinnern gestern noch an den Bomben-Krimi aus der Nacht. Schaulustige Touristen tummeln sich scharenweise um den "Katastrophenort". Indes stehen viele Betroffene fassungslos vor ihren beschädigten Wohnungen und Geschäften.

Schneiderin Kristina Kubedinova blickt aus ihrem Atelier auf die Straße. Vor ihr liegen die Trümmer der Schaufensterfassade. "Mein Kopf ist leer", sagt sie. Dabei ist sie im Gegensatz zu Ronny Kleiner noch glimpflich davongekommen. Kleiner befindet sich nach eigenen Angaben im "Schockzustand". Durch die Detonation ist sein Modegeschäft in der Feilitzschstraße vollständig ausgebrannt. "Dass es so schlimm aussieht, hätte ich nicht gedacht. Ich dachte, ich komme da hin und fege die Glasscherben weg. Aber hier sieht es aus wie nach einem Bombenanschlag in Tel Aviv", sagt der 39-Jährige. Mit dem gerade erst frisch renovierten Laden habe er seine ganze Existenz verloren.

Auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) zeigt sich überrascht über die Sprengkraft des Relikts aus dem Zweiten Weltkrieg: "Es sieht ja aus wie nach einer Straßenschlacht", sagt er bei der Begutachtung der Sperrzone. Zugleich ist er erleichtert, dass bei der Explosion des Fünf-Zentner-Ungetüms niemand verletzt wurde. 2500 Anwohner wurden vor der Sprengung in Sicherheit gebracht, Hunderte mussten in Notunterkünften schlafen. Viele Anwohner durften schon in der Nacht auf Mittwoch zurück in ihre Wohnungen. Die engere Sperrzone konnte allerdings wegen der Einsturzgefahr nur in Begleitung von Einsatzkräften betreten werden.

Die Sicherung des amerikanischen Blindgängers hatte sich zu einer Zitterpartie entwickelt: Rund 35 Stunden nach dem Fund wurde die Bombe nach mehreren missglückten Entschärfungsversuchen am Dienstag um 21.55 Uhr auf dem Gelände der ehemaligen Kultkneipe "Schwabinger 7" gezielt gesprengt. Dort war der Blindgänger mit dem komplizierten Säurezünder Montagmittag bei Bauarbeiten entdeckt worden.

Die Explosion erinnerte an Szenen aus einem Actionfilm: Ein gewaltiger Knall durchdrang die gespenstige Ruhe, ein Feuerball stieg in den Nachthimmel auf. Brennendes Stroh und "messerscharfe" Splitter flogen der Polizei zufolge bis zu 300 Meter durch die Luft und setzten vereinzelt umliegende Gebäude in Brand. Dicke Rauchschwaden türmten sich über den Dächern.

Nach einer Begutachtung von Experten teilte die Stadt München mit, dass "massive Gebäudeschäden" entstanden seien. Mehrere Häuser seien unbewohnbar, zwei einsturzgefährdet. Die Schadenshöhe ist noch unklar, dürfte aber im Millionenbereich liegen.

Hintergrund

Wer die Kosten für die Schäden übernimmt, ist laut Stadt noch unklar. Die Versicherungskammer Bayern, die rund 70 Prozent der Wohngebäude im Freistaat versichert hat, begann jedoch bereits mit der Schadensaufnahme. Explosionsschäden am Haus seien durch die Gebäudeversicherung gedeckt, sagte eine Sprecherin. Für Schäden in der Wohnung gelte die Hausratsversicherung. dpa

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