Mordanklage nach 30 Jahren

Paris. André Bamberski hat endlich erreicht, wofür er seit fast dreißig Jahren gekämpft hat: Der deutsche Mediziner Dieter K. steht seit gestern in Paris vor Gericht. Bamberski macht K. für den Tod seiner Tochter Kalinka verantwortlich

Paris. André Bamberski hat endlich erreicht, wofür er seit fast dreißig Jahren gekämpft hat: Der deutsche Mediziner Dieter K. steht seit gestern in Paris vor Gericht. Bamberski macht K. für den Tod seiner Tochter Kalinka verantwortlich.Der Franzose ist überzeugt, dass der deutsche Arzt, der seinerzeit mit Kalinkas Mutter zusammenlebte, das Mädchen im Sommer 1982 mit einer Betäubungsspritze getötet hat. Nachdem die deutsche Justiz die Ermittlungen gegen K. ohne Anklageerhebung abschloss und der Arzt auch nach einem französischen Hafturteil unbehelligt blieb, nahm Bamberski das Recht in seine Hand. Im Herbst vergangenen Jahres ließ er K. nach Frankreich entführen.

Kalinka Bamberski war 14 Jahre alt, als sie starb. Ihre Mutter hatte sie in den Sommerferien zu sich an den Bodensee geholt, wo sie mit ihrem neuen Mann lebte, dem Kardiologen K. Weil Kalinka für ihren Geschmack nicht schnell genug braun wurde und an Eisenmangel litt, spritzte ihr Stiefvater ihr ein Medikament. Am Morgen darauf fand Kalinkas Halbschwester das Mädchen tot im Bett.

Während an der Injektion an sich kein Zweifel besteht, stellte das Oberlandesgericht München im September 1987 letztinstanzlich fest, dass die Spritze nicht ursächlich für den Tod der Jugendlichen war und dass Bamberskis Klage gegen den Deutschen unzulässig sei. Woran Kalinka tatsächlich starb, wurde von der deutschen Justiz nicht geklärt.

Die französische Justiz dagegen kam nach einer erneuten gerichtsmedizinischen Untersuchung zu dem Schluss, dass das Mädchen in Zusammenhang mit der Spritze zusammengebrochen und gestorben sei. K. wurde daher 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, der Richterspruch aber nie vollstreckt - weil es für die deutsche Justiz keinen Grund zur Auslieferung gab. Bis zur Verjährung in vier Jahren wollte der leibliche Vater von Kalinka offenbar nicht warten - im September schlugen Unbekannte den heute 75-jährigen K. brutal zusammen und brachten ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion über die französische Grenze, wo sie ihn in der Nähe einer Feuerwehrwache gefesselt ablegten.

Die Polizei nahm den Deutschen fest, nachdem Bamberski sie telefonisch informiert hatte. Dem Franzosen droht wegen der Entführung von K. ebenfalls ein Verfahren, er ist derzeit unter Auflagen auf freiem Fuß.

Hintergrund

Die Chronologie des Falls:1982: Kalinka wird am 10. Juli tot in ihrem Bett entdeckt; 1983: Die deutschen Behörden gehen von einem Unfall ohne Fremdverschulden aus. André Bamberski hat Zweifel und erhebt später Anklage in Frankreich; 1993: Ein Pariser Gericht eröffnet Verfahren gegen K.; 1995: Dieter K. wird wegen der Tötung seiner Stieftochter in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt; 1997: In einem anderen Fall wird Dieter K. in Deutschland zu zwei Jahren Bewährung verurteilt, weil er eine 16-jährige Patientin in seiner Praxis betäubt und vergewaltigt hat, die ärztliche Zulassung wird für zwei Jahre gesperrt; 2001: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügt das in Frankreich verhängte Urteil, da nicht einmal der Anwalt des Angeklagten nicht angehört wurde; 2004: Frankreich stellt einen für Europa gültigen internationalen Haftbefehl gegen K. aus; 2007: Wegen illegaler Ausübung des Arztberufs und Betrugs wird Dieter K. in Deutschland zu 28 Monaten Haft verurteilt; 2009: K. wird bei Mülhausen gefunden, drei Tage später wird wegen der Entführung ein Ermittlungsverfahren gegen Bamberski sowie zwei weitere Männer eröffnet; 2011: Pariser Geschworenengericht erhebt Mordanklage gegen Dieter K.. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Temperaturen bis zu Minus 45 Grad, Eisstürme und hundert Kilo Gepäck: Einen Monat vor der Hochzeit seines großen Bruders William erregt auch Prinz Harry (Foto: dpa) öffentliches Aufsehen. Er begibt sich auf Abenteuerreise. Seit gestern ist der 26-Jährige
Temperaturen bis zu Minus 45 Grad, Eisstürme und hundert Kilo Gepäck: Einen Monat vor der Hochzeit seines großen Bruders William erregt auch Prinz Harry (Foto: dpa) öffentliches Aufsehen. Er begibt sich auf Abenteuerreise. Seit gestern ist der 26-Jährige