Die Sesamstraße wird 50 Jahre alt Monsteralarm in New York

New York · Ohne Ernie und Bert oder das Krümelmonster wären Millionen Kindheiten ein bisschen ärmer gewesen: Die „Sesamstraße“ wird 50.

 Seit 50 Jahren wohnen in der „Sesamstraße“ bunte Monster und Menschen vergnüglich zusammen. Die Figuren Bert, Samson, Tiffy und das Krümelmonster sind mittlerweile Institutionen der Kindererziehung.

Seit 50 Jahren wohnen in der „Sesamstraße“ bunte Monster und Menschen vergnüglich zusammen. Die Figuren Bert, Samson, Tiffy und das Krümelmonster sind mittlerweile Institutionen der Kindererziehung.

Foto: dpa/dpaweb/Miguel Villagran

Diese Straße hat Millionen Menschen die Welt erschlossen. Nein, nicht die Champs-Élysées, die Reeperbahn oder irgendein hartes Pflaster in Rio oder Chicago. Sondern jene, in der bunte Monster und Menschen seit nunmehr 50 Jahren vergnüglich in braunen Sandstein-Häusern in New York zusammenleben. Am 10. November 1969 lief in den USA die erste Folge der „Sesamstraße“, die nach eigenen Angaben erfolgreichste Kindersendung der Welt.

Damals war die kleine Sally die erste Besucherin: „Alles geschieht hier, du wirst es lieben“, bekam das Mädchen gesagt und trifft nacheinander alle möglichen Figuren, die auch wir nicht mehr aus dem Kopf bekommen: Bibo flaniert federnden Schrittes durch die Sesame Street (Sesamstraße) – ein bisschen verpeilt, ein bisschen schreckhaft. Ernie singt in der Badewanne, sein „Freund“ (offen für Interpretationen) Bert ist garstig wie immer. Und Kermit erklärt Buchstaben, die das Krümelmonster hinter seinem Rücken verspeist.

Die Figuren der Sendung sind mittlerweile Institutionen der Kindererziehung. Mit Hilfe des Fernsehens brachten sie Generationen Zahlen und Buchstaben nahe. Sie erklärten in mittlerweile rund 4500 Folgen, wie wichtig Milch ist – oder Freundschaft. Sprachen auch heikle Dinge an: Süchte, Aids oder Autismus. Und mussten sich auch gegen die wachsende Konkurrenz im Kinderfernsehen und Internet behaupten. Der immense Erfolg der „Sesamstraße“ spiegelt sich nicht nur darin, dass keine andere Sendung öfter den Fernsehpreis Emmy gewann. „Unsere stolzeste Leistung ist die Wirkung auf Kinder“, sagt die Produktionsfirma „Sesame Workshop“. Mehr als 1000 Studien haben demnach bestätigt, dass Zuschauer im Vorschulalter von der „Sesamstraße“ besonders profitierten.

Und weil die Sendung Kinder aus allen Ecken und Schichten der vielfältigen US-Gesellschaft ansprechen sollte, wurde sie auch „sehr anpassungsfähig“ an andere Kulturen. So ist es kein Zufall, dass die Puppen – oft in lokal angepassten Ablegern der Show – mehr als 150 Länder erreichten, darunter Russland, China, Nigeria und Afghanistan. In Deutschland wurden ab 1973 zuerst synchronisierte US-Folgen ausgestrahlt. Doch ein Bündnis aus Eltern, Erziehern und Wissenschaftlern protestierte gegen die amerikanischen Straßenszenen. Gegen das Ghetto-Flair der US-„Sesamstraße“, das mit der Lebenswelt deutscher Kinder nichts gemein habe. Deshalb bekam Deutschland Ende der 70er Jahre seine eigene „Sesamstraße“ mit dem leichtgläubigen Bären Samson, der altklugen Tiffy und menschlichen Gastgebern wie Liselotte Pulver, Ute Willing, Ilse Biberti, Henning Venske, Manfred Krug, Uwe Friedrichsen und Horst Janson.

Unterdessen zog die US-„Sesamstraße“ nicht nur Kinder in ihren Bann, sondern auch die Stars an. Die Backstreet Boys sangen mit einem Chor von kleinen Monstern, genauso wie Beyoncé oder Feist. Für die große Jubiläumsshow am 9. November in den USA haben sich unter anderem Whoopi Goldberg, Patti LaBelle und Elvis Costello angekündigt. Ein Höhepunkt selbst für „Sesamstraßen“-Verhältnisse waren in den vergangenen Jahren die Auftritte von Michelle Obama. Sie selbst sei fünf gewesen, als die ersten Folgen sie elektrisierten, sagte die Frau des ehemaligen US-Präsidenten kürzlich. Drei Jahrzehnte später dann seien ihre Töchter mit der Sendung aufgewachsen. Und schließlich hätten Mutter und Töchter die „Sesamstraße“ für die Dreharbeiten besucht. „Wir waren total überwältigt vor Ehrfurcht“, sagte Obama.

Doch wo liegt sie denn eigentlich, die Sesamstraße? Was Millionen Kinder immer wieder gefragt haben, ist seit Mai etwas leichter zu beantworten: Ein kurzes Stück der 63. Straße in Manhattan, in der Nähe des Central Park, trägt seitdem den Beinamen „Sesame Street“. Besucher mit großen Erwartungen aber werden enttäuscht. Die Häuser sind größer und das Leben ist nicht so unbeschwert wie in der Sesamstraße aus dem Fernsehen. Es gibt keinen Ernie, der singt, keinen Bert, der schmollt. Und auch Michelle Obama ist nirgends zu sehen.

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