Mode aus Manilas Müll

Manila. Gleich neben der Müllhalde rattern die Nähmaschinen. Am Hafen der philippinischen Hauptstadt Manila fertigen Slumbewohner Handtaschen aus leeren Zahnpastatuben und falten Zeitungsseiten zu Armreifen. "Diese Tasche verkaufen wir in London für 100 Pfund (110 Euro) oder mehr", sagt Jane Walker und zeigt auf ein bunt schillerndes Exemplar

Manila. Gleich neben der Müllhalde rattern die Nähmaschinen. Am Hafen der philippinischen Hauptstadt Manila fertigen Slumbewohner Handtaschen aus leeren Zahnpastatuben und falten Zeitungsseiten zu Armreifen. "Diese Tasche verkaufen wir in London für 100 Pfund (110 Euro) oder mehr", sagt Jane Walker und zeigt auf ein bunt schillerndes Exemplar. Die 45-jährige Britin, die eine christliche Stiftung in Manila leitet, lässt aus Müll Mode machen - und die Boutiquen in London reißen sich darum. 200 Taschen würden gerade nach Großbritannien geschickt, aber die Nachfrage könnten sie bei Weitem nicht decken, sagt Walker. "Drei Boutiquen in London musste ich schon vertrösten." Begleitet vom Lärm der Nähmaschinen schneiden knapp zwei Dutzend Frauen Stoffe zurecht, die aus dem Müll der Stadt stammen. Andere verzieren Taschen und Portemonnaies mit Plastikabfällen. Walker ist in Manila als "Engel der Deponie" bekannt. Ihr Atelier betreibt sie gleich neben dem berüchtigten Smokey Mountain, dem nach seinem Gestank benannten Müllplatz der Stadt. Die allein erziehende Mutter gab ihren Job als Verlagsmanagerin 1996 auf und gründete die Philippine Christian Foundation, nachdem sie die Armut in Manila erlebt hatte. Mit einer größeren Luxusmodekette sei sie gerade in Verhandlungen, sagt Walker. Doch ihre Stiftung, die vor allem von Unternehmensspenden abhängig ist, macht nicht nur Mode. Sie investiert in die medizinische Versorgung und in die Schulbildung der Familien auf dem Müll von Smokey Mountain. Von den Abfällen der Zwölf-Millionen-Stadt leben noch immer tausende Menschen, die die Deponie täglich nach Verwertbarem durchkämmen. Walkers Stiftung trug dazu bei, dass hier eine Schule gegründet und ein ehemaliges Warenlager zu einem Begegnungszentrum ausgebaut wurde, in dem nun warme Mahlzeiten ausgegeben werden. Doch im vergangenen Jahr blieben die Spenden aus - in der Finanzkrise war die Hilfsorganisation auf neue Geldquellen angewiesen. Walker hatte eine Idee: Sie zeigte den Frauen auf der Deponie, wie sie die Öffnungsringe von Aluminiumdosen zu Geldbörsen zusammennähen können. Laptop-Hüllen und Umhängetaschen folgten. Schnell wurde ein Laden für umweltfreundliche Mode im Finanzdistrikt Makati aufmerksam. Schließlich kamen die ersten Anfragen aus London. Walker beschäftigt mittlerweile rund 40 Familien, die jeweils mindestens 3000 Pesos (45 Euro) im Monat bekommen - viel mehr, als sie mit dem Müllsammeln verdienen könnten. "Mir hilft das sehr, denn nun kann ich meine Enkel zur Schule schicken", sagt Martha Dominguez, während sie einen Spielzeugbären näht. "Wir haben mitten im Müll gelebt und sind nie auf die Idee gekommen, dass wir ihn zu Geld machen könnten", sagt die 60-Jährige. Für ihre Mitarbeiterinnen sei das Projekt nicht nur eine Einnahmequelle, sagt Walker. "Es gibt auch eine wichtige soziale Dimension. Viele, die hier mitmachen, betrachten das als die größte Errungenschaft in ihrem Leben." Vollständig finanzieren könnten die Müll-Accessoires ihre Hilfsarbeit nicht, sagt Walker. Die Spendenflaute werde damit aber wettgemacht.

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