Viel Unsicherheit auch im Saarland Mit Schnupfen in die Kita? Eltern und Erzieher fordern Klarheit

Berlin/Saarbrücken · Laufende Nasen gehören zur Kita-Normalität wie aufgeschrammte Knie. In diesen Zeiten ist das aber anders. Der Schnupfen könnte ja auch Corona sein. Die Verunsicherung ist groß.

 Kinderrucksäcke hängen im Eingangsbereich in einem Kindergarten.

Kinderrucksäcke hängen im Eingangsbereich in einem Kindergarten.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Eltern kleiner Kinder müssen da fast jeden Herbst und Winter durch: Der Nachwuchs hustet und schnieft, kann aber meist trotzdem weiter in die Kita. Nur wenn es zu schlimm wird, muss zu Hause auskuriert werden. Jetzt, wo nach monatelangem Notbetrieb in den Kitas auf Regelbetrieb umgeschaltet wird und irgendwann auch die Erkältungszeit wieder losgeht, fragen sich Eltern und Erzieher: Wie soll das mit der Schnupfnase eigentlich in Corona-Zeiten gehen?

Die Angst davor, dass ihre Kinder jetzt beim kleinsten Schnupfen zu Hause bleiben müssen, ist bei Alleinerziehenden besonders groß. „Wir befürchten, dass weitere Alleinerziehende in die Armut abrutschen, wenn sie ihrer Erwerbstätigkeit mangels zuverlässiger Kinderbetreuung nicht nachgehen können“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, Helene Heine. Aktuell werde das in den Bundesländern ganz unterschiedlich gehandhabt. „Dieser Wildwuchs verunsichert Eltern, Arbeitgeber und Fachkräfte in Kitas.“

In Bayern gilt beispielsweise noch bis Ende August (dann sollen die strengen Regeln gelockert werden), dass Kinder schon bei kleinsten Erkältungssymptomen wie einer laufenden Nase von der Betreuung ausgeschlossen sind - außer sie können einen negativen Corona-Test vorweisen. In Berlin heißt es dagegen, „von den akuten Atemwegsinfektionen sind die einfachen Erkältungskrankheiten verbunden mit einem Schnupfen oder Husten ohne Fieber zu unterscheiden. In diesen Fällen gibt es keinen unmittelbaren Anlass, das Kind nicht aufzunehmen oder die Betreuung nicht fortzuführen“.

Der Alleinerziehendenverband fordert von der Politik „konkrete Konzepte für Kitas und Schulen, die einen angemessenen Umgang mit Erkältungen sicherstellen“. Allein sind die Eltern mit dieser Forderung nicht. Auch beim Kitapersonal herrscht Verunsicherung, wann denn nun Kinder angenommen oder nach Hause geschickt werden sollen. Die Politik müsse „klare, praktikable und verhältnismäßige Handreichungen entwickeln, wie aufgrund welcher Symptomatik gehandelt werden muss“, sagt die Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands, Waltraud Weegmann. Der Verband vertritt die freien Kita-Träger in Deutschland.

In diesen Handreichungen müssen ihrer Ansicht nach beispielsweise auch Kriterien festgelegt werden, wann ein Kind nach einer Erkrankung wieder in die Kita kommen darf und welche Nachweispflichten es dann geben soll. Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat eine solche Handreichung inzwischen für ihre Kitas veröffentlicht. Andere Länder dürften folgen.

Einig sei man sich jedenfalls mit den meisten Ärzten und Virologen darin, dass der Ausschluss eines Kindes vom Kita-Besuch mit gewöhnlichem Kinderschnupfen - ohne zusätzliche Symptome - unverhältnismäßig sei, sagt Weegmann. Aus Sicht der Ärzte gibt es auch noch ein anderes Problem: Wenn aus Verunsicherung bei jedem Schnupfen eine Untersuchung oder ein Corona-Test verlangt wird, drohen im Herbst übervolle Kinderarztpraxen. Dabei sei es in dieser Jahreszeit ganz normal, dass Kinder Erkältungen hätten, sagt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Johannes Hübner. „Da muss man nicht immer und jedesmal einen Corona-Test machen - das würde die Testkapazitäten und auch die Kinderärzte überfordern.“

Zur Entspannung der Situation schlägt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte vor, für Eltern eine „großzügige Karenztagsregelung“ zu schaffen. Heißt: Wenn das Kind erkältet ist, sollen Eltern mit ihm auch ohne Krankschreibung für ein paar Tage zu Hause bleiben dürfen. „Hier muss die Politik praktikable Lösungen finden“, fordert Verbandspräsident Thomas Fischbach. Etwas ähnliches kann sich auch Udo Beckmann vom Verband Erziehung und Wissenschaft vorstellen: Er plädiert dafür, dass in der Pandemiesituation Druck von Eltern und Erziehern genommen und die Zahl der Arbeitstage, die für die Betreuung eines erkrankten Kindes in Anspruch genommen werden dürfen, heraufgesetzt wird. Bisher liegt sie bei zehn Tagen.

Gleichzeitig wirbt Beckmann um Verständnis für das Personal in den Kitas. „Dass in Zeiten von Corona erhöhte Vorsicht geboten ist und die Kitas manchmal eher als in normalen Zeiten die Eltern auffordern, das Kind zu Hause zu halten, versteht sich von selbst.“ Es gehe auch immer darum, die anderen an der Kita Beteiligten zu schützen. Erzieherinnen würden die ihnen anvertrauten Kinder und ihre Verhaltensweisen sehr gut kennen. „Sie können in der Regel am Verhalten der Kinder gut unterscheiden, ob es sich um ein harmloses Schnoddernäschen oder eine ernsthafte Erkältung handelt.“

(dpa)
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