Hilfsorganisationen Missbrauchsskandal weitet sich aus

Paris/London · Immer mehr Hilfsorganisation werden mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Nach Oxfam auch Ärzte ohne Grenzen.

 Der Skandal um sexuellen Missbrauch bei großen Hilfsorganisationen weitet sich immer mehr aus. Nach Oxfam berichtet nun auch Ärzte ohne Grenzen von sexuellen Übergriffen in den eigenen Reihen. Es habe im vergangenen Jahr 24 gemeldete Fälle von Missbrauch oder sexueller Belästigung gegeben, teilte die Organisation gestern mit. Im Zusammenhang damit seien 19 Mitarbeiter entlassen worden. Nicht alle Fälle würden aber zentral gemeldet, hieß es. Daher kann die tatsächliche Zahl der Übergriffe höher liegen.

Ärzte ohne Grenzen betonte in der Mitteilung, man habe sich seit Jahren der Vorbeugung von Missbrauch verschrieben. So gebe es ein Meldesystem, damit Opfer schnell Hilfe suchen könnten. Trotzdem seien noch Verbesserungen nötig. Insgesamt hätten sich im vergangenen Jahr in 146 Fällen Mitarbeiter wegen Fehlverhaltens innerhalb der Organisation gemeldet, darunter waren auch Mobbing-Fälle.

Auch das International Rescue Committee mit Sitz in New York sieht sich mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Das IRC ist eine weltweit tätige US-Organisation, die Flüchtlingen nach Konflikten und Naturkatastrophen hilft. „Unter diesen Fällen waren drei Vorwürfe im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung innerhalb einer anderen Organisation. Diese Vorwürfe wurden dann untersucht und Geldgebern sowie lokalen Behörden gemeldet“, sagte eine IRC-Sprecherin Um welche anderen Organisationen es sich handelt oder wann die besagten Fälle stattfanden, sagte die Sprecherin nicht. Die britische Zeitung „The Sun“ hatte aufgedeckt, dass das britische Entwicklungsministerium dem IRC vorübergehend die Fördergelder gestrichen hatte.

Bereits 2002 erschütterten Missbrauchs-Vorwürfe in Westafrika den humanitären Sektor. Damals kam ans Licht, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und UN-Blauhelmsoldaten im großen Umfang Flüchtlingskinder in Liberia, Guinea und Sierra Leone sexuell missbraucht hatten. In einem Untersuchungsbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) beschuldigten damals Kinder fast 70 Mitarbeiter von mehr als 40 Organisationen, darunter das UNHCR und Save the Children, als Gegenleistung etwa für Lebensmittel und Geld Sex verlangt zu haben. Die Mehrzahl der Beschuldigten waren demnach einheimische Mitarbeiter. Doch es gab auch Vorwürfe gegen Soldaten im UN-Friedenseinsatz.

Der Skandal schlug hohe Wellen. Die Vereinten Nationen unter dem damaligen Generalsekretär Kofi Annan stellten als Konsequenz neue Regeln für alle UN-Mitarbeiter auf. Das Problem war damit aber nicht aus der Welt. Während des 13 Jahre langen Einsatzes in Haiti sollen Soldaten Haitianer vergewaltigt oder sexuell ausgebeutet haben. Während die UN für den Zeitraum von 2008 bis 2015 von 75 Fällen ausgehen, hat der Menschenrechtsaktivist Mark Snyder Hinweise auf fast 600 Vergehen zusammengetragen.

UN-Generalsekretär António Guterres hat bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr angekündigt, sexuellen Missbrauch innerhalb der UN mit einer „Null-Toleranz-Politik“ zu beenden. Doch wenn es zu derartigen Vorwürfen gegen Blauhelme kommt, gestaltet sich die Strafverfolgung oft schwierig. Denn für Vergehen bei UN-Friedensmissionen sind nicht die UN, sondern die Herkunftsländer der Soldaten zuständig.

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