Dagmar Berghoff „Miss Tagesschau“ feiert ihren 75. Geburtstag

Hamburg · Dagmar Berghoff fing 1976 als Sprecherin der ARD-Nachrichten an – als erste Frau auf dem Posten. Nicht alle fanden das gut. Aber dann überzeugte sie alle.

 Dagmar Berghoff 1976 vor ihrer ersten „Tagesschau“.

Dagmar Berghoff 1976 vor ihrer ersten „Tagesschau“.

Foto: dpa/DB

„Das ist ja ‚Tagesschau’-pünktlich!“, ruft Dagmar Berghoff durch die Gegensprechanlage und öffnet die Tür zu ihrer Wohnung in Hamburg. Hört man ihre markante Stimme, fühlt man sich sofort zurückversetzt in jene Zeit, als die Frau mit den blonden Haaren und dem makellosen Image das Gesicht der „Tagesschau“ war. Berghoff war die erste „Miss Tagesschau“ und blieb bis zu ihrem Abschied am Silvesterabend 1999 auch in der Beliebtheit für viele die Nummer eins. Die 20-Uhr-Hauptausgabe einzuschalten, ist für sie noch immer Pflicht. Es sei denn, es gibt was zu feiern – wie ihren 75. Geburtstag am heutigen Donnerstag.

Am 16. Juni 1976 hatte Dagmar Berghoff ihre Premiere im Studio der „Tagesschau“. Die erste Meldung betraf die Entführung eines US-Diplomaten im Libanon, aber die eigentliche Neuigkeit war die Sprecherin mit dem bunten Blusenkleid. Es war das erste Mal, dass eine Frau bei der führenden deutschen Nachrichtensendung auf dem Bildschirm zu sehen war – und es war der Beginn einer Ära.

Ihren Geburtstag verbringt die Nachrichten-Legende traditionell. Mit ihrem Ex-Kollegen Wilhelm Wieben und zwei weiteren Freunden wird wieder Rummikub gespielt, wie seit vielen Jahren. Was sie sich wünscht? „Eigentlich nur Gesundheit. Wenn man jünger ist, wünscht man sich so viel, aber – so banal es auch klingen mag – Gesundheit ist doch das Wichtigste.“ Wie 75 fühle sie sich nicht. „Wenn man früher an dieses Alter gedacht hat, dann hat man alte, schwarz gekleidete Frauen gesehen. Mein Lebensgefühl ist gute 20 Jahre jünger“, sagt sie. „Ich glaube, das liegt daran, dass man in der heutigen Zeit so viele Angebote hat. Wenn man noch ein bisschen neugierig und lebhaft ist, kann man ganz viel davon annehmen.“ Sofern man gesund sei.

23 Jahre lang war Beghoff das Gesicht der „Tagesschau“, stieg bis zur Chefsprecherin auf. Die Momente, in denen sie selbst mal vor laufender Kamera für Schlagzeilen sorgte, gehören zu den bekanntesten Anekdoten in der Geschichte der Sendung. Etwa die Proteste, die die Sprecherin auslöste, als sie eines Tages mit Lockenfrisur auf dem Bildschirm erschien. „Mir schrieben die Leute zum Beispiel: Mein Hirtenhund liegt vorm Fernseher und bellt Sie an.“ Auch ihr Lachkrampf beim „WTC-Turnier“-Versprecher ist legendär – zuvor hatte sie noch mit der Redaktion darüber gewitzelt, doch mal lesen zu können, Boris Becker habe im WC gewonnen. Das tat sie dann auch – und lachte und lachte.

Bis vor einigen Jahren arbeitete die Moderatorin noch fürs Radio, wie von Anfang an. Auch damals, als „Tagesschau“-Chefsprecher Karl-Heinz Köpcke sie zu seinem nur aus Männern bestehenden Team holte – obwohl auch er zu den Zweiflern zählte. „Er war eigentlich nicht der Meinung, dass Frauen die ‚Tagesschau’ sprechen können. Von Politik würden sie nichts verstehen, von Sport schon gar nichts, und bei Unglücken in Tränen ausbrechen“, hatte Berghoff mal erzählt. Nachdem sie unter anderem beim damaligen Südwestfunk als TV-Ansagerin, Moderatorin und Hörfunksprecherin in Baden-Baden gearbeitete hatte, eroberte sie die Männerdomäne „Tagesschau“.

Dabei hatte die gebürtige Berlinerin, die in Ahrensburg bei Hamburg aufwuchs, Schauspielerin werden wollen und das auch studiert. Anfangs nahm sie parallel zur TV- und Radioarbeit einige Rollen an, etwa für Dieter Wedels „Die Semmelings“. Als die „Tagesschau“ kam, war Schluss damit. Angesichts der aktuellen Vorwürfe gegen den Regisseur ist sie zurückhaltend. Wedel habe es nicht nötig gehabt, eine Frau gegen ihren Willen ins Bett zu bekommen, denke sie.

 „Tagesschau“-Sprecherin Dagmar Berghoff am 31.12.1999 während ihrer letzten Sendung in Hamburg.

„Tagesschau“-Sprecherin Dagmar Berghoff am 31.12.1999 während ihrer letzten Sendung in Hamburg.

Foto: dpa/Db Ard aktuell
 Die ehemalige Nachrichtensprecherin Dagmar Berghoff in Hamburg, in ihrem Wohnzimmer.

Die ehemalige Nachrichtensprecherin Dagmar Berghoff in Hamburg, in ihrem Wohnzimmer.

Foto: dpa/Axel Heimken

Privat erlebte Berghoff 2001 einen schweren Schicksalsschlag, als ihr Mann Peter Matthaes nach rund zehnjähriger Ehe an Krebs stirbt. Ihre Arbeit half ihr auf die Beine. „Die Sendungen waren ein Korsett, das mich gestützt hat – andere haben eine Familie, Kinder, Enkel, ich hatte meinen Job.“ Und da ging es bisweilen nicht immer nur so nüchtern zu wie gedacht. Erst kürzlich berichtete Dagmar Berghoff, dass sich die „Tagesschau“-Sprecher früher vor der Sendung schon mal ein Gläschen Wodka Pflaume genehmigten. Grund zum Anstoßen hat die legendäre „Miss Tagesschau“ auch heute.

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