Unfälle häufen sich Wenn der Rastplatz zum Risiko wird

Karlsruhe · Autobahn-Rastplatz voll? Mancher Lkw-Fahrer parkt dann eben davor – mit gefährlichen Folgen. Die Polizei kann meist wenig ausrichten.

 Vor allem am Wochenende finden Lkw-Fahrer oftmals keinen Stellplatz mehr.

Vor allem am Wochenende finden Lkw-Fahrer oftmals keinen Stellplatz mehr.

Foto: dpa/Uli Deck

Ein Lastwagen will auf der A5 bei Weingarten nahe Karlsruhe auf einen Parkplatz einbiegen. Doch die Einfahrt ist von einem Lastzug blockiert. Der Fahrer schert auf die Autobahn zurück. Ein mit 40 Menschen besetzter Fernbus kann nicht mehr ausweichen und fährt auf den Lastwagen auf. Sieben Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Weitere Folgen: Vollsperrung, lange Staus und hoher Sachschaden. Der Unfall in der Nacht zum 5. Juni ist kein Einzelfall. Bundesweit kommt es immer wieder zu Unglücken und brenzligen Situationen, weil Lastwagen Autobahnparkplätze blockieren, auf den Ein- und Abfahrten stehen oder auf dem Standstreifen.

Und manchmal sterben deshalb Menschen – wie am 10. Januar 2018 auf der A6 bei Bad Rappenau nahe Heilbronn. Da war ein Schwertransporter mit Begleitfahrzeug auf dem Verzögerungsstreifen vor dem Parkplatz stehen geblieben, weil der Rastplatz dicht war. In der Dunkelheit raste ein Auto ungebremst in das Begleitfahrzeug. Beide Fahrzeuge fingen Feuer, zwei Menschen kamen ums Leben.

Im vergangenen Jahr waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 8611 Lastwagen auf Autobahnen an Unfällen mit Verletzten und Toten beteiligt. Wie oft ein voller Parkplatz Ursache war, verrät die Statistik nicht. Doch solche Unfälle fallen zunehmend auf.

Verkehrsexperten haben das Problem schon lange im Blick. „Vollgestellte Rastplätze an Autobahnen sind ein bundesweites Thema, vor allem an den großen Transitautobahnen“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Gefährlich werde es, wenn Einfahrten zugestellt seien und davor geparkt werde. Problematisch seien vor allem Lastwagen auf Standstreifen.

„So etwas gab es früher nicht“, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Meist sind es nach seiner Beobachtung ausländische Lastwagen, die das tun. Aber egal woher: Es geschieht nicht aus Bequemlichkeit. „Lkw-Fahrer machen das aus purer Verzweiflung“, meint Unfallforscher Brockmann. Sie müssen nach Stunden am Steuer ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten. Das heißt: Nach spätestens viereinhalb Stunden müssen sie eine Pause einlegen.

30 000 Lastwagen passieren täglich die A5 bei Karlsruhe. „Die Parkplätze reichen vorne und hinten nicht“, sagt Lothar Batschauer, Leiter der Autobahnpolizei Karlsruhe. Die Polizisten drücken bei Falschparkern auf der Rastanlage schon mal ein Auge zu. Doch auf Standstreifen oder in Ein- und Ausfahrten der Rastplätze gibt es kein Pardon.

„Die Polizei verfolgt solche Verstöße, sie hat aber auch Beißhemmung“, sagt Siegfried Brockmann. Denn wohin, wenn alle Parkplätze längst voll sind? Vor allem abends und am Wochenende geht vielerorts nichts mehr. „Letztlich lässt sich das Problem nicht mit der Polizei lösen, nur durch eine drastische Kapazitätserhöhung der Rastplätze“, meint der Verkehrsexperte.

Die Not ist groß: Durch Globalisierung und boomenden Online-Handel nimmt die Lkw-Dichte zu – und damit der Bedarf an Stellplätzen. Hinzu kommt laut BGL-Sprecher Bulheller, dass vor allem Lkw aus Osteuropa auf Parkplätzen tagelang auf den nächsten Auftrag warten – und sie so für andere Fahrer blockieren. „Die wohnen dort richtig“, bestätigt Polizist Batschauer.

Nach Schätzung des BGL sind auf Deutschlands Straßen rund 500 000 einheimische Lastwagen und mindestens 300 000 ausländische Lkw unterwegs – Tendenz steigend. Der Bund müsse beim Stellplatzausbau Gas geben. Das fordern auch die Verkehrsminister der Länder.

„Wir hoffen, dass die Politik bald eine Lösung findet“, sagt Rainer Köller von der Polizei Heilbronn. Auch dort sind nachts alle Parkplätze „überbelegt“. Nahezu täglich müssen seine Kollegen raus, um Falschparker zur Weitererfahrt aufzufordern und notfalls abzuschleppen. „Trucker-Romantik, das war einmal“, sagt Autobahnpolizist Batschauer. „Die Fahrer sind die ärmsten Hunde.“

(dpa)
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