Vermissten-Fälle Wenn Menschen plötzlich verschwinden

Berlin/Wiesbaden · Die meisten Vermissten tauchen schnell wieder auf, sagt die Polizei-Statistik. Aber auch Fälle jahrelanger Suche gehören dazu. Und Gewaltverbrechen.

 Mehr als 11 000 Menschen in Deutschland sind vermisst. Selten sind – zum Glück – spektakuläre Fälle wie die jahrelange Suche nach Peggy, Maria H. oder der seit 2006 vermissten Gorgine aus Brandenburg (Foto von April).

Mehr als 11 000 Menschen in Deutschland sind vermisst. Selten sind – zum Glück – spektakuläre Fälle wie die jahrelange Suche nach Peggy, Maria H. oder der seit 2006 vermissten Gorgine aus Brandenburg (Foto von April).

Foto: dpa/Bernd Settnik

Mehr als 11 000 Menschen werden in Deutschland vermisst – darunter mehr als 7000 unter 18 Jahren. Das teilte das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden mit. Rund die Hälfte der vermissten Minderjährigen machen in der Statistik demnach junge, unbegleitete Flüchtlinge aus, die allein und ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. Mit Stand 1. Oktober 2018 galten rund 3500 unbegleitete Flüchtlinge im Land als vermisst, darunter 902 unter 13 Jahren.

Diese Zahlen könnten allerdings „lediglich als Annäherung dienen“, sagte eine BKA-Sprecherin. Es sei schwer, die tatsächliche Zahl zu erheben. Einige Flüchtlinge seien etwa wegen verschiedener Schreibweisen ihres Namens mehrfach erfasst worden, oft fehlten außerdem Papiere. Hinzu kommen Fälle, in denen die Behörden die jungen Leute als vermisst melden, die sich aber „nur“ zu Familienmitgliedern an einem anderen Ort in Deutschland oder Europa aufgemacht haben. Solche Fälle zählen zu jenen in der Statistik, die vermutlich eine eher „harmlose“ Ursache haben.

Die Bandbreite hinter dem Zahlenwerk ist groß: Die Zahl aller Vermissten umfasst sowohl Fälle, die sich innerhalb weniger Tage aufklären, als auch Vermisste, die bis zu 30 Jahre lang verschwunden sind. Pro Tag werden nach Angaben der Ermittlungsbehörde etwa 250 bis 300 Fahndungen nach Vermissten neu erfasst und auch gelöscht.

Die seltensten Fälle sind dabei so spektakulär wie die jahrelange Suche nach der 2001 verschwundenen neunjährigen Peggy aus Oberfranken, die nach 15 Jahren mit dem Fund ihrer Leiche endete, deren Tod aber auch nach der Festnahme eines Tatverdächtigen vor knapp zwei Wochen noch immer nicht geklärt ist. Denn an Heiligabend wurde der 41-jährige Bayer wieder frei gelassen. Das Amtsgericht Bayreuth hatte den Haftbefehl gegen ihn wieder aufgehoben, wie Staatsanwaltschaft und Polizei mitteilten. Unter anderem, weil das widerrufene Teilgeständnis nicht mehr gegen ihn verwendet werden könne, hieß es. Nun prüfen die Ermittler das weitere Vorgehen, ob etwa gegen den Beschluss eine Beschwerde eingelegt wird.

Auch der Fall der jahrelang verschwundenen Maria H. aus Freiburg war einer der spektakulärsten Fälle. In diesem Jahr tauchte die 18-Jährige plötzlich wieder auf, nachdem sie 2013 mit einem etwa 40 Jahre älteren Mann verschwunden war.

„Erfahrungsgemäß erledigen sich etwa 50 Prozent der Vermissten-Fälle innerhalb der ersten Woche“, hieß es beim BKA. Armin Gartelmann, Leiter der Vermisstenstelle bei der Bremer Polizei, sagte: „Es gibt Menschen, die gehen eine Woche ins Krankenhaus und sagen es keinem. Andere fahren in Urlaub und erzählen es niemandem.“

Nach einem Monat sind den BKA-Angaben zufolge mehr als 80 Prozent der Fälle erledigt. Der Anteil der Menschen, die länger als ein Jahr vermisst werden, liegt nur bei rund drei Prozent. Knapp zwei Drittel aller Vermissten sind laut BKA männlich. Etwa die Hälfte aller Vermissten sind Kinder und Jugendliche, für deren Verschwinden es die unterschiedlichsten Gründe gebe: „Probleme in der Schule oder mit den Eltern, Liebeskummer“ – und so weiter.

Oft sind es aber auch Senioren. Ein Fall in Niedersachsen ging in diesem Jahr tragisch aus. Mitte November entdeckte ein Angler in Uelzen die Leiche einer fast zwei Wochen lang vermissten 80-Jährigen. Opfer einer Straftat wurde die Frau laut Polizei vermutlich nicht. Sie war an Demenz erkrankt.

Doch immer wieder gibt es auch die großen, mysteriösen Fälle, in denen ein Mensch von einem Tag auf den anderen spurlos verschwindet. Dazu gehören auch Mutter Sylvia und ihre beim Verschwinden zwölf Jahre alte Tochter Miriam aus Drage im Kreis Harburg, die im Sommer vor gut drei Jahren plötzlich weg waren. Die Polizei geht nach Angaben eines Sprechers davon aus, dass der Familienvater die beiden umgebracht hat.

In Bremen gibt es von rund 15 Menschen keine Spur, berichtete Polizist Gartelmann. „Um drei davon mache ich mir ernsthafte Sorgen. Ich befürchte, dass sie tot sind.“

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