Meditation sollte Mukoviszidose heilen

Karlsruhe · Mukoviszidose ist eine unheilbare Krankheit, die ständig behandelt werden muss. Dass eine Mutter und ihr Lebensgefährte die Therapie für ihr Kind abbrachen, wertete der Bundesgerichtshof als Misshandlung.

Ein zwölfjähriger Junge leidet unter unheilbarer, lebensbedrohender Mukoviszidose. Die Stoffwechselerkrankung muss dauerhaft medizinisch behandelt werden. Doch seine Mutter und ihr Lebensgefährte, ein Esoteriker-Paar, gehen ab Ende 1999 nicht mehr zum Arzt und setzen die Medikamente ab. Stattdessen sollen Fasten und Meditation das Kind heilen. Nach drei Jahren Martyrium in Lonnerstadt bei Erlangen rettet sich der Junge völlig abgemagert zu seinem leiblichen Vater. Zehn Jahre später zeigt er seine Mutter und ihren Partner an. Er wolle nicht, dass anderen so etwas geschehe, sagt der heute 28-Jährige.

Für die Justiz ein schwieriger Fall: Drei Jahre Haft wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen lautet vor einem Jahr das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Der Bundesgerichtshof bestätigt den Spruch am Dienstag. Die heute 50 Jahre alte Frau und der 56-jährige Mann hatten die Vorwürfe vor dem Landgericht bestritten. Der Junge habe selbst über die Behandlung entscheiden können.

Der 1. Strafsenat habe sich lange und intensiv mit dem Fall beschäftigt, sagt der Vorsitzende BGH-Richter Rolf Raum. Die Angeklagten seien Garanten für das Wohl des Kindes gewesen. Sie hätten den Jungen zwar nicht aktiv gequält, aber sie hätten auch nichts für seine Heilbehandlung unternommen und ihm damit schweres Leid zugefügt. "Darin sieht der Senat ein Quälen." Bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung hat das Landgericht aus Sicht des BGH keine Fehler gemacht.

"Er ist froh, dass es jetzt vorbei ist", sagt Rechtsanwalt Mathias Klose, der den jungen Mann in dem Verfahren vertreten hat. Der Prozess gegen die eigene Mutter sei für seinen Mandanten eine sehr große psychische Herausforderung gewesen, die er nur mit Hilfe seiner übrigen Familie habe überstehen können. Gesundheitlich gehe es ihm im Moment einigermaßen gut.

Das Landgericht ging von bedingt vorsätzlichem Quälen durch Unterlassen aus, weil sie dem Jungen die Behandlung notfalls auch gegen seinen Willen hätten zukommen lassen müssen. Stattdessen habe der Mann, der als "Sektenguru von Lonnerstadt" bekannt wurde, Genesung versprochen. Er habe gesagt, "wenn ich alles mitmache, meditiere, bin ich mit 17, 18 geheilt", hatte der junge Patient vor dem Landgericht berichtet. Doch von Besserung keine Spur: In den drei Jahren ohne medizinische Versorgung magerte er bis auf 28 Kilogramm ab, es ging ihm immer schlechter. "Es war für mich die Hölle."

Mukoviszidose ist eine Stoffwechselkrankheit. Betroffen sind Lunge, Bauchspeicheldrüse, Gallenwege und andere Organe, die von zähem Schleim verstopft werden. In der Folge bilden sich häufig Atemwegsinfektionen. Die unheilbare Krankheit wird unter anderem mit Medikamenten, Gymnastik und Inhalationen behandelt.

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