Marcus Rashford Wie ein Fußballer Kindern in Not hilft – und die Regierung düpiert

London · Weil die britische Politik kostenloses Schulessen kappen will, startet Nationalspieler Marcus Rashford eine Aktion – und löst eine Welle der Solidarität aus.

Der britische Fußballer Marcus Rashford engagiert sich für arme Kinder – auch, weil er selbst eines war.

Der britische Fußballer Marcus Rashford engagiert sich für arme Kinder – auch, weil er selbst eines war.

Foto: dpa/Mike Egerton

Marcus Rashford weiß, wie es sich anfühlt, mit knurrendem Magen ins Bett zu gehen. Der 22-Jährige mag heute als erfolgreicher Fußballprofi in einem Anwesen in einer der besten Gegenden Manchesters leben. Doch diese Luxuswelt hat nichts mit jenen schweren Bedingungen zu tun, unter denen der Brite aufwuchs. Es gab Tage, da wusste seine alleinerziehende Mutter trotz Vollzeitjob nicht, wie sie für ihre fünf Kinder etwas zu essen auf den Tisch bringen soll. Rashford war auf kostenfreie Schulmahlzeiten und die Unterstützung aus der Nachbarschaft angewiesen. Der junge Mann hat diese Zeit nicht vergessen. Und kämpft heute für die ärmsten Kinder Englands, die in einer ähnlichen Situation sind wie er damals. Kinder, die „nicht nur hungrig ins Bett gehen, sondern auch mit dem Gefühl, dass sie nicht wichtig sind“, wie er schon im Juni sagte, als er ihnen erstmals eine Stimme gab. In einem leidenschaftlichen Appell wandte er sich an die britische Regierung, die mit Beginn der Sommerferien die Verteilung von Essensgutscheinen für Kinder aus bedürftigen Familien einstellen wollte. Der offene Brief des englischen Nationalspielers zeigte damals Erfolg. Er wurde hunderttausendfach im Netz geteilt, die Wut der Briten zwang Premier Boris Johnson, zurück zu rudern. Rund 1,3 Millionen Schüler erhielten weiter das Geld für die Gratismahlzeiten.

Nun ging der Streit in eine zweite Runde. Vorige Woche stimmten die regierenden Konservativen im Parlament gegen kostenfreies Schulessen für besonders bedürftige Kinder während der Herbst-, Wehnachts- und Winterferien. Man habe ausreichend Geld ins Sozialhilfesystem gepumpt und an die Gemeinden verteilt, die solche Vouchers überflüssig machten, lautete die Position in der Downing Street.

Nicht nur Rashford reagierte entsetzt. Über die Insel fegte ein Sturm der Empörung, der noch heftiger ausfiel als im Juni. Als Antwort sandte Rashford via soziale Medien einen Notruf aus und bat die Menschen direkt um schnelle Unterstützung. Was folgte, davon war selbst der Manchester-United-Spieler „überwältigt“. Restaurants und Supermärkte, Cafés und Hilfsorganisationen, Kommunen, Unternehmen, Tante-Emma-Läden sowie Privatpersonen aus ganz England meldeten sich und sicherten konkrete Hilfe zu in Form von Essensausgaben und Gutscheinen. Taxifahrer wollten für die Beförderung sorgen. Schulleiter aus allen Ecken schlossen sich der Kampagne an.

Es handelte sich um eine beispiellose humanitäre Welle der Hilfsbereitschaft, die die Regierung „zutiefst beschämen muss“, wie Kritiker betonten. „Ich könnte heute nicht stolzer sein, britisch zu sein“, schrieb Rashford nach der Aktion vom Wochenende und rühmte die Selbstlosigkeit, Güte und den Zusammenhalt der Menschen. „Das ist das England, das ich kenne.“

Der Kicker, der von Königin Elizabeth II. für seinen Einsatz zum Member of the British Empire ernannt wurde, bestimmt seitdem die Schlagzeilen. Mehr noch: Rashford hat das Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Tatsächlich hatten bereits vor Ausbruch der Coronavirus-Krise rund 1,2 Millionen Schüler Anspruch auf kostenloses Essen. Das sind 15,4 Prozent aller Kinder in England. Laut Schätzungen stieg die Zahl nun sogar um eine Million. Aktivist Rashford sei „eine Inspiration für alle“, waren sich die britischen Medien ungewohnt einig. Der 22-jährige ist der neue Held des Königreichs. Die Regierung dagegen steht als Buhmann der Nation in der Kritik. Beobachter rechnen mit einer baldigen Kehrtwende Johnsons.

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