Marco-Buch birgt Zündstoff

Istanbul. "Überrascht" sei er gewesen, als er von dem Buch seines deutschen Mandanten Marco Weiss (Foto: Sascha Weiss/ddp) erfahren habe, sagte der Istanbuler Anwalt Mehmet Iplikcioglu gestern. Doch es war dem Verteidiger anzuhören, dass es mehr als nur Überraschung war, die ihn bewegte

Istanbul. "Überrascht" sei er gewesen, als er von dem Buch seines deutschen Mandanten Marco Weiss (Foto: Sascha Weiss/ddp) erfahren habe, sagte der Istanbuler Anwalt Mehmet Iplikcioglu gestern. Doch es war dem Verteidiger anzuhören, dass es mehr als nur Überraschung war, die ihn bewegte. Denn mit dem Buch, das bereits heute erscheint, könnte sich Marco neue Probleme mit der türkischen Justiz einbrocken. "Wenn er uns etwas gesagt hätte, hätten wir ihm Ratschläge geben können", sagte Iplikcioglu. Aber Marco sagte offenbar niemandem etwas. Sein deutscher Anwalt Matthias Waldraff reagierte "entsetzt" auf das Vorhaben und legte aus Protest sein Mandat nieder. Weil das Buch "Meine 247 Tage im türkischen Knast" während des noch laufenden Prozesses in Antalya erscheine, sehe er keine Möglichkeit mehr "Schaden von Marco" abzuwenden, sagte Waldraff der "Neuen Presse". In dem Buch will der heute 18-jährige Marco über seine schicksalsträchtige Begegnung mit der damals erst 13-jährigen Charlotte M. aus Manchester in einem Hotel in Side bei Antalya und über seine anschließende Haftzeit berichten. In der "Bild"-Zeitung erzählte Marco gestern in einem ersten Kapitel über das, was zwischen ihm und Charlotte geschehen sein soll. Glaubt man ihm, dann wurde er als argloser Jüngling von dem Mädchen, das er als eine Art Lolita darstellt, regelrecht verführt. Sex gab es keinen - wegen eines vorzeitigen Samenergusses. Einen Mann in Antalya dürfte das Buch ganz besonders interessieren. Ömer Aycan vertritt als gerichtlich bestellter Pflichtanwalt das Mädchen Charlotte, und er ist nach wie vor überzeugt, dass seine Mandantin von Marco Weiss sexuell missbraucht wurde. Sollten sich aus dem Buch von Marco neue Erkenntnisse ergeben, werde er diese vor Gericht zur Sprache bringen, sagte Aycan. Dass Marco auf die Idee mit dem Buch gekommen sei, überrasche ihn überhaupt nicht, fügte der Anwalt hinzu. "Die Familie ist schon von Anfang an hinter dem Geld her." Wenn Aycan in Marcos Buch neue Hinweise auf eine Schuld sieht, könnte dies das Verfahren noch weiter in die Länge ziehen. Nach der jüngsten Verhandlung am Mittwoch waren alle Prozessbeteiligten davon ausgegangen, dass es bei der nächsten Sitzung am 10. April 2009 ein Urteil geben werde. Anwalt Iplikcioglu warnte Marco Weiss zudem davor, in dem Buch etwas zu schreiben, was als Kritik am Gericht in Antalya verstanden werden könnte. Denn dies könnte einen neuen Rechtsstreit wegen der versuchten Einflussnahme auf ein laufendes Verfahren nach sich ziehen - ein solcher Versuch ist in der Türkei strafbar, und türkische Richter sind sehr dünnhäutig in dieser Hinsicht.

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