"Man braucht alte Augen und ein junges Herz"

Potsdam. Beige Cordhose, hellblauer Kaschmirpulli und australische Stiefeletten. Wolfgang Joop zieht sich je nach Laune an, gerne experimentell. Seine liebste Rolle: "Der alternde Student unterwegs, losgelöst von allen Vorschriften", verrät Deutschlands Top-Designer

Potsdam. Beige Cordhose, hellblauer Kaschmirpulli und australische Stiefeletten. Wolfgang Joop zieht sich je nach Laune an, gerne experimentell. Seine liebste Rolle: "Der alternde Student unterwegs, losgelöst von allen Vorschriften", verrät Deutschlands Top-Designer. Unterwegs durch ein Leben unter Volldampf bis zu den Prêt-à-Porter-Schauen in Paris - und an diesem sonnigen Novembertag zur Vorstellung seiner Autobiografie "Wunderkind. 14467 Potsdam" im Auto nach Hamburg. Er kennt die Strecke gut, verbindet sie mit der "Sehnsucht, hinter die Grenze zu gelangen". Denn Joop, der heute 65 Jahre alt wird, war lange ein Heimatloser zwischen den Welten beiderseits der Mauer.

Geboren in einem Bauernhof in Potsdam, verfrachtet nach Braunschweig, wo er sich als Einzelkind isoliert fühlte, später dann als Erfolgsdesigner seiner Marke Joop! in Hamburg, kehrte er erst 1998 zurück in seine Heimatstadt. Seitdem lebt Joop seinen Traum mit dem Label Wunderkind.

"Fehler hab' ich viele"

Seine Eitelkeit kommt immer wieder durch, doch was vor allem bleibt: Ein durchaus exaltierter, aber ungemein humorvoller und selbstkritischer Star-Modemacher: "Fehler? Ach, die habe ich viele." Seine Stärken? Die größte, das Zeichentalent.

Szenenwechsel: Ein paar Tage später in der Villa Wunderkind am Ufer des Heiligen Sees. Joop - heute im Holzfäller-Look - steht an seinem Holzpult. "Ich zeichne nur im Stehen, manchmal neun Stunden am Tag", sagt er. Das Model posiert, Joop zeichnet hochkonzentriert, bald ist das Kleid aufs Papier gebracht. "Jeder erste Strich ist für mich beglückend."

Und so kreiert Joop unermüdlich seine Wunderkind-Mode "leicht irritierend, etwas Boheme", oder auch immer wieder etwas jenseits der Haute Couture wie jüngst Kompressionsstrümpfe, für die er von Karl Lagerfeld hämische Worte erntete. Einst inspirierten die "Trümmerfrauen" den jungen Modemacher Joop, der 1978 mit einer Pelzkollektion den Durchbruch feierte. Bis heute findet er das Natürliche aufreizender als das Geleckte.

Über sich selbst sagt er: "Ich mache nichts, um mich zu retouchieren." Auch Diäten seien noch nie seine Sache gewesen. Nach allmorgendlich frisch gepressten Gemüsesäften schlägt Joop gerne am Nachmittag bei Schlagsahne und Torte zu. Für seine Figur muss er offenbar auch als Großvater nichts tun.

Die Modewelt jedenfalls lässt Joop vorerst nicht los, auch wenn er regelmäßig vor lauter Lampenfieber beim Gang auf den Laufsteg ins "Wachkoma" fällt. Denn: "Man braucht alte Augen und ein junges Herz", um erfolgreich zu sein, sagt Joop, der Werbepsychologie und Kunsterziehung studierte, 1981 sein Label Joop! gründete und alles von Bekleidung bis Wasserhähnen entwarf. Doch irgendwann war Schluss, Joop verkaufte seine Anteile, kehrte Hamburg den Rücken und startete mit Wunderkind ein Luxus-Avantgarde-Label.

Das Multitalent Joop machte schon als bildender Künstler, Schriftsteller, Schauspieler von sich reden. Und kommt bald mit etwas Neuem. Ein "handfestes" Kochbuch würde er gerne schreiben: Darüber, "wie man ein richtiges Rührei macht".

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