Machtlos gegen Menschenhandel

Brüssel · Die Zahl der Opfer von Menschenhandel steigt innerhalb der EU stetig an. Fast 10 000 Personen wurden 2011 statistisch erfasst. Größtenteils Frauen. Die Dunkelziffer ist weitaus höher.

Sie werden verkauft, versklavt, ausgebeutet. Aber immer noch viel zu wenig geschützt: die Opfer von Menschenhandel in Europa. 2008 waren es noch 6309 Betroffene (Deutschland: 692), die die Sicherheitsbehörden in den 27 EU-Staaten entdeckten. Bis 2011 kletterte ihre Zahl auf 9528 (Deutschland: 651). Zugleich gingen die Fälle, in denen Schlepper und Händler verhaftet wurden, massiv zurück: Von 1534 im Jahre 2008 auf 1339 drei Jahre später. "Es ist schwer vorstellbar, dass in unseren freien und demokratischen Ländern zehntausenden Menschen die Freiheit entzogen wird, sie ausgenutzt und für Profit gehandelt werden wie Waren", sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström bei der Präsentation einer aktuellen Studie gestern in Brüssel. Bei 68 Prozent der Opfer handelt es sich um Frauen, 17 Prozent sind Männer, zwölf Prozent Mädchen und drei Prozent Jungen. Die überwiegende Mehrzahl (66 Prozent) wird sexuell ausgebeutet, ein Viertel zur Arbeit gezwungen. Viele Betroffene werden aus Rumänien und Bulgarien verschleppt. Aber auch nicht-europäische Länder wie Brasilien, Russland, China, Nigeria oder Algerien gelten als Hauptzielgebiete für Menschenhändler.

Während die EU-Statistikbehörde gerade mal rund 10 000 Opfer von Menschenhandel 2011 auflistet, sprach die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im Juli 2012 von rund 880 000 Zwangsarbeitern in Europa. Und der Trend zeigt stark nach oben. Es handelt sich, so heißt es in der EU-Studie, um "ein grausames globales Geschäft". Weltweit seien laut EU 20,9 Millionen Menschen Opfer dieser kriminellen Kreise, davon 5,5 Millionen Minderjährige.

Eine EU-Richtlinie zur Eindämmung dieser Praktiken sieht einen umfangreichen Handlungskatalog vor. So sollen Opfer auf nationale Hilfsangebote zählen können. Problematisch ist allerdings, dass die Mitgliedstaaten bis zum 6. April diese Richtlinie gegen Menschenhandel in nationales Recht übernehmen sollten, doch nur sechs Länder (Tschechien, Litauen, Finnland, Ungarn, Polen und Schweden) dieser Auflage nachgekommen sind. Deutschland fehlt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte gestern, man werde die Vorgabe "bald" ratifizieren.

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