Lernbremse Lärm

Frankfurt · Ganz still ist es fast nirgends mehr. Überall gibt es ein Grundrauschen von Autos und Zügen. Rund um Flughäfen kommt Lärm aus der Luft hinzu. Nur langsam wächst die Erkenntnis, dass das für Kinder Folgen hat – etwa beim Lesenlernen.

Draußen Spielen ist in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens kein Vergnügen. Alle paar Minuten donnern Maschinen über Gärten, Spielplätze und Schulhöfe. Dann müssen Gespräche unterbrochen werden, nicht nur in der großen Pause. Jetzt ist klar, dass Lärm nicht nur nervt, sondern auch beim Lernen bremst. Macht es etwas aus, wenn Kinder in den Schulen rund um den Flughafen ein paar Wochen länger brauchen, um Lesen zu lernen? Die Norah-Lärmwirkungsstudie, die gestern in Frankfurt vorgestellt wurde, konstatiert bei Zweitklässlern eine Verzögerung um mindestens einen Monat, bei mehr Fluglärm auch mehr.

Ist das viel? Psychologin Maria Klatte (TU Kaiserslautern), die die Norah-Kinderstudie leitete, sagt, der Effekt sei klein, aber "nicht vernachlässigbar". Hinzu komme der Stressfaktor für die Lehrer - "das hat absehbar auch Folgen für die Kinder." In der Befragung für die Studie hätten die meisten Lehrer angegeben, sie müssten häufig wegen des Lärms die Fenster schließen, und es sei trotzdem laut. Klatte findet weitere Forschungen nötig. Nach dem Ergebnis der Studie ist nämlich weiter unklar, wie der Fluglärm das Lesenlernen beeinträchtigt.

Knapp 230 000 Starts und Landungen verzeichnete Deutschlands größter Airport nach Angaben des Flughafenbetreibers Fraport im ersten Halbjahr 2014. Das war zwar ein leichter Rückgang um 0,1 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum, aber Fluglärmgegner lassen in ihrem Protest nicht nach. Für sie ist die angestrebte Kapazitätserweiterung auf mehr als 700 000 Flugbewegungen im Jahr ein Alptraum.

Seit Eröffnung der neuen Nordwest-Landebahn vor drei Jahren sei der Lärmteppich rund um Deutschlands wichtigsten Flughafen größer geworden, klagt Dirk Treber von der Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms. Menschen von Rheinhessen bis Nordbayern, vom südhessischen Ried bis in die mittelhessische Wetterau seien betroffen. Noch immer ziehen Montag für Montag im Schnitt 500 fluglärmgeplagte Anwohner aus der gesamten Region durch das Terminal-Gebäude und geben mit Trillerpfeifen, Trommeln und anderen Utensilien ein bisschen Krach zurück.

Die Luftverkehrswirtschaft streicht ihre Bemühungen um Lärmschutz heraus. Gerade erst hat Fraport die Start- und Landegebühren für laute Maschinen um acht Prozent erhöht - um die Modernisierung der Flugzeugflotten voranzutreiben. Ein satellitengestütztes Anflugsystem, das ebenfalls weniger Lärm bringen soll, kann erst von wenigen Flugzeugen genutzt werden. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) müht sich zudem, die Anflugrouten höher zu legen, damit unten weniger Lärm ankommt.

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