Lebensträume zum Abhaken

Washington · Ein Kind zeugen, ein Haus bauen und einen Baum pflanzen war gestern. Die ganz großen Wünsche des Lebens reichen heute von Weltreisen bis Extremsport – und werden in den USA auf To-Do-Listen festgehalten.

Die Tour de France mitfahren. Einen Bestseller-Roman schreiben. Mit Seekühen schnorcheln. Oder einen Pilotenschein machen, eine ausgefallene Fremdsprache lernen und dann ein Jahr lang alle sieben Kontinente bereisen. Die Liste menschlicher Lebensträume ist lang, und gerade weil nicht alle davon wahr werden, haben die Amerikaner den Griff nach den ganz großen Wünschen als regelrechten Sport für sich entdeckt.

"Bucket Lists" heißen die in den USA bekannten Sammlungen, die 5, 50 oder auch 500 abzuhakende Punkte enthalten. "Kick the bucket" heißt wörtlich "den Eimer treten", bedeutet frei übersetzt aber so viel wie "den Löffel abgeben". Diese wohl wichtigsten To-Do-Listen des Lebens werden nachts in Kneipen auf Bierdeckel gekritzelt, mit den besten Freunden ausgebrütet oder nach lebensverändernden Ereignissen auf Papier festgehalten.

So ergeht es auch Jack Nicholson und Morgan Freeman , die in den Rollen eines Milliardärs und eines Automechanikers im Film "Das Beste kommt zum Schluss" (2007) beide an Krebs erkranken. Im Krankenhaus erfahren sie, dass ihnen nur noch höchstens ein Jahr zum Leben bleibt - und so kommt es zur "Löffelliste": Rennwagen fahren, die Pyramiden erklimmen, Fallschirmspringen , Löwen-Safari in Afrika, das "schönste Mädchen der Welt küssen" und mehr.

Die größten Wünsche sind oft die der Kleinsten, weshalb sich die Stiftung "Make A Wish" zum Ziel gesetzt hat, die Träume kranker Kinder zu erfüllen. Aus ihnen werden mit Spenden und der Hilfe Freiwilliger für einen Tag Polizeichefs, Eishockey-Profis, Auto-Designer oder Pianisten. Alle 38 Minuten erfüllt die Organisation nach eigenen Angaben im Schnitt den Wunsch eines lebensgefährlich erkrankten Kindes. Berühmt wurde der fünfjährige Miles Scott, der als "Batkid" im schwarzen Batman-Kostüm in San Francisco auf Verbrecherjagd ging.

Wer fremde "Bucket Lists" durchstöbert, stößt auf Luxus (im teuersten Hotel der Welt übernachten), Prominente (einen Filmstar zum Kaffee treffen), Reisen (den Eiffelturm besuchen), Tiere (einen Elefanten waschen) Sport (einen Triathlon laufen), Mut (vor großem Publikum auftreten), Ehrgeiz (meinen Doktor machen) und Nächstenliebe (einem Fremden helfen). Keine zwei Menschen sind gleich, und deshalb auch keine zwei Listen. Was dem einen banal erscheint, ist für den anderen die Erfüllung jahrelanger Träume: Auto fahren und Gitarre spielen will eine Nutzerin der Website "Bucketlist.org" etwa lernen, eine andere will einen Hund besitzen, Schnee fallen sehen und den Vatikan besuchen.

Längst haben auch Autoren die "Bucket Lists" für sich entdeckt: "1000 Places To See Before You Die" der Reisejournalistin Patricia Schultz ist in 25 Sprachen übersetzt worden. Autor Richard Horne schreibt in "101 Dinge, die man getan haben sollte, bevor das Leben vorbei ist" wiederum, dass es zum Leben gehört, einmal verhaftet zu werden, einen Preis verliehen zu bekommen und in einem Drei-Sterne-Restaurant die Zeche zu prellen.

Nicholson und Freeman gelingt es im Film jedenfalls, die Liste ihrer Träume und zweiter Chancen für verpasste Gelegenheiten abzuhaken. Ihr letzter Wunsch ist es, "etwas Majestätisches zu erleben": Der Assistent des verstorbenen Nicholson trägt dessen Asche auf den Gipfel des Himalayas.

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