Lebenslang für Dorfbäcker

Stuttgart. Eigentlich kaum vorstellbar: Da überfällt der Bäcker eines Dorfes unmaskiert die ortsansässige Sparkasse. "Doch", sagt der Vorsitzende Richter des Stuttgarter Landgerichts, Wolfgang Hahn, gerade so etwas komme vor

 Alfred B.Foto: dpa

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Stuttgart. Eigentlich kaum vorstellbar: Da überfällt der Bäcker eines Dorfes unmaskiert die ortsansässige Sparkasse. "Doch", sagt der Vorsitzende Richter des Stuttgarter Landgerichts, Wolfgang Hahn, gerade so etwas komme vor. Gestern schickte er den ehemaligen Dorfbäcker von Siegelsbach bei Heilbronn wegen Mordes und zweifachen Mordversuchs für eine lebenslange Haftstrafe hinter Gitter. Eiskalt ging der damalige Bäcker nach Überzeugung des Gerichts vor: Am helllichten Tag, dem 7. Oktober 2004, marschiert er unmaskiert in die Sparkassenfiliale in seinem Heimatdorf, schlägt dem Banker fast den Schädel ein, versetzt einem Rentner einen Nackenschuss und schießt dessen Ehefrau zweimal in den Kopf. Die Beute: rund 33000 Euro. Richter Hahn räumte auch mit einem anderen Vorurteil auf, nämlich dass der Angeklagte nicht das Psychogramm eines Mörders habe. "Wir erleben sogar Familienväter, die brutale Taten begehen und danach einen Kaffee trinken gehen." Hahn wischte damit die Argumentation der Verteidigung beiseite. Diese hatte in der Neuauflage des Prozesses einen erneuten Freispruch gefordert, weil der Angeklagte doch nicht so naiv sei, als dorfbekannter Nachbar eine ortsansässige Bank auszurauben. 2006 Im ersten Prozess vor dem Landgericht Heilbronn war der Angeklagte trotz vieler belastender Indizien freigesprochen worden. In Siegelsbach hatte das für Empörung gesorgt. Der Bundesgerichtshof kippte diese Entscheidung wegen fehlerhafter Beweiswürdigung. Auch der Angeklagte wirkte gefasst, schüttelte aber immer wieder den Kopf. "Er ist ein cooler Hund", raunte ein Zuschauer. Hohe Schulden und Habgier hätten den Angeklagten zur Tat getrieben, sagte der Richter. Gegen den 50-Jährigen sprächen auch die glaubhaften Aussagen der beiden Schwerverletzten. Beide sagten aus: Ja, der Bäcker war's. Damit beginnt die ganze Indizienkette, die das Heilbronner Gericht 2006 als nicht hinreichend für eine Verurteilung bewertet hatte. Der Bundesgerichtshof bemängelte dies: Das Landgericht habe einzelne Aussagen und Indizien als nicht zwingend eingestuft und daraus den Schluss gezogen, dem Bäcker könne die Tat nicht nachgewiesen werden. Zu den Indizien zählt eine DNA-Spur im Auto des Bäckers, die wahrscheinlich die des Bankangestellten ist. Anders als im ersten Prozess in Heilbronn hat das Stuttgarter Urteil wohl niemanden schockiert. Die Verteidigung kündigte Revision an.

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