Langfinger im großen Stil beim Kinderkanal

Erfurt. Im Fall des Millionenbetrugs beim Kinderkanal (KI.KA) beginnt heute in Erfurt der Prozess gegen den früheren Herstellungsleiter des Senders. Ihm wird Bestechlichkeit und Betrug in 48 besonders schweren Fällen vorgeworfen

Erfurt. Im Fall des Millionenbetrugs beim Kinderkanal (KI.KA) beginnt heute in Erfurt der Prozess gegen den früheren Herstellungsleiter des Senders. Ihm wird Bestechlichkeit und Betrug in 48 besonders schweren Fällen vorgeworfen. Er soll von November 2005 bis September 2010 insgesamt 61 Rechnungen einer Berliner Produktionsfirma über mehr als 4,6 Millionen Euro zur Bezahlung angewiesen haben, obwohl dafür keine Leistungen erbracht wurden. Anschließend soll er als Gegenleistung 50 Prozent, später 60 Prozent der Rechnungsbeträge eingestrichen haben.Der damalige Herstellungsleiter des Kanals, der von ARD und ZDF gemeinsam betrieben wird, war am 7. Dezember in Erfurt verhaftet worden, nachdem sich der Geschäftsführer der beteiligten Berliner Produktionsfirma selbst angezeigt hatte. Auch gegen diesen Mann, dessen Firma in Insolvenz ging, wird ermittelt. Allerdings ist dieses Verfahren von dem Prozess gegen den Herstellungsleiter abgetrennt worden. Der Angeklagte schweigt bislang zu den Vorwürfen.

Wie die Revisionen des für den KI.KA zuständigen MDR und des ZDF in einem internen Prüfbericht feststellten, hat der Herstellungsleiter in den Jahren 2002 bis 2010 "kriminelle Scheingeschäfte" mit fünf externen Firmen abgewickelt. Er habe diesen Geld für erfundene Dienstleistungen wie die Produktion von Programmtrailern und Animationen angewiesen und dabei offenbar Beträge in Millionenhöhe für sich selbst abgezweigt. Die Gesamtschadenssumme wird in dem Bericht auf 8,2 Millionen Euro veranschlagt. Wegen der Verjährungsfristen sind nur die Rechnungen seit Dezember 2005 strafrechtlich relevant. Die Staatsanwaltschaft Erfurt hatte ihre Ermittlungen Anfang April auf insgesamt acht Firmen ausgedehnt. Das Landeskriminalamt Thüringen durchsuchte am 5. April sieben Privatwohnungen und acht Firmen in Berlin, Erfurt und Baden-Baden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen insgesamt elf Personen: sechs Geschäftsführer von Produktionsfirmen und fünf Personen aus dem KI.KA. In der Zwischenzeit erließ das Amtsgericht Erfurt gegen den Angeklagten einen zweiten Haftbefehl wegen Bestechlichkeit in 29 weiteren Fällen. Er soll knapp 200 000 Euro an Schmiergeldzahlungen und Sachleistungen wie Flugreisen erhalten haben. Als Konsequenz aus der Affäre hatte MDR-Verwaltungsdirektor Holger Tanhäuser im März sein Amt zur Verfügung gestellt, allerdings ohne damit ein Schuldeingeständnis zu verbinden. KI.KA-Programmgeschäftsführer Steffen Kottkamp wurde wegen "mangelnder Ausübung seiner Kontrollfunktion" abgemahnt, MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze ermahnt. MDR-Intendant Udo Reiter teilte Ende Mai überraschend mit, dass er vorzeitig in den Ruhestand gehen will. epd

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