Lärmende Kinder vor GerichtChronologie der Prozesse zum Thema

Karlsruhe. Darf eine Tagesmutter in einem Wohnhaus fremde Kinder betreuen? Über diese Frage verhandelte gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Sein Urteil wird das höchste deutsche Zivilgericht am 13. Juli verkünden. Im konkreten Fall betreut eine Mieterin in einer Kölner Wohnung mit Erlaubnis der Stadt fünf Kinder im Alter bis zu drei Jahren

Karlsruhe. Darf eine Tagesmutter in einem Wohnhaus fremde Kinder betreuen? Über diese Frage verhandelte gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Sein Urteil wird das höchste deutsche Zivilgericht am 13. Juli verkünden.Im konkreten Fall betreut eine Mieterin in einer Kölner Wohnung mit Erlaubnis der Stadt fünf Kinder im Alter bis zu drei Jahren. Eine darunter wohnende Frau hatte dagegen geklagt. In der Vorinstanz hatte das Landgericht die Tätigkeit untersagt. Die Kinderbetreuung bedeute eine "unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer oder Hausbewohner". Durch die ganztätige Kinderbetreuung sei mit mehr Lärm und Schmutz im Treppenhaus, einem erhöhten Müllaufkommen durch Windeln und mit mehr Publikumsverkehr zu rechnen (Az.: V ZR 204/11).

Völlig unverständlich, findet der Anwalt der beklagten Vermieterin: "Wenn hier eine Familie mit drei Kindern leben würde - wo ist da der Unterschied? Das kann nicht richtig sein." Vor dem fünften BGH-Zivilsenat verwies er zudem auf das geänderte Bundes-Immissionsschutzgesetz, wonach Kinderlärm grundsätzlich keine "schädliche Umweltwirkung" mehr ist. Auch habe sich die Eigentümerversammlung mehrheitlich für die Tagesmutter ausgesprochen.

Allerdings - und darauf verwies der Anwalt der inzwischen aus der Wohnung gezogenen Klägerin - wurde nicht die für eine Zustimmung nötige Dreiviertel-Mehrheit erzielt. "Die Eigentümer haben entschieden. Das Ergebnis ist eindeutig", betonte dieser. Bei der Tagesmutter-Tätigkeit handle es sich um ein Gewerbe, dem gemäß der Teilungserklärung die Wohnungseigentümer mit Dreiviertel-Mehrheit hätten zustimmen müssen. Eine Tagesmutter im Haus sei eine auf Dauer angelegte und andere Belastung als eine Familie. Die Bewohner hätten es im Haus dann auch mit mehr "Fremden" zu tun, die ihre Kinder bringen und abholen. "Das sind nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigungen."

Bei der Frage, ob es einen wichtigen Grund für die Verweigerung der Tätigkeit gibt, müssen nach Angaben des Vorsitzenden Richters Wolfgang Krüger auch Aspekte wie der Zuschnitt der Wohnung, die Größe der Anlage oder der Schallschutz berücksichtigt und gegen Eigentumsrechte abgewogen werden. Berlin. Das Recht von Kindern auf Lärm ist seit kurzem im Bundes-Immissionsschutzgesetz festgeschrieben. Bundestag und Bundesrat hatten im Juni 2011 beschlossen, Klagen gegen Kinderlärm zu erschweren. Einige mehr oder weniger umstrittene Urteile:

Mai 2012: Nachbarn müssen Kinderlärm auf einem Spielplatz hinnehmen, auch wenn dort Schulkinder toben. Das Koblenzer Oberverwaltungsgericht weist die Klage einer Anwohnerin ab. Als Zeichen kindlicher Entwicklung seien die Geräusche zumutbar.

Oktober 2011: Ein 29-Jähriger aus Berlin, der aus Wut über Kinderlärm vor einem Spielplatz einen gefährlichen und verbotenen Silvesterböller zündete, muss für drei Monate in Haft.

Mai 2011: Zwei Villenbesitzer aus Thüringen scheitern mit ihren Eilanträgen gegen den Bau eines benachbarten Kindergartens. Die Häuser seien ohnehin "lärmvorbelastet", da sie an einer stark befahrenen Straße lägen, urteilt das Oberverwaltungsgericht.

September 2010: Mieter dürfen weder fristlos kündigen, noch die Miete mindern, weil aus einer Wohnung auch nach 22 Uhr Lärmen oder Weinen von Kindern zu hören ist. Kinder hätten einen natürlichen Spiel- und Bewegungsdrang, der häufig mit Geräuschen verbunden sei, urteilt das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf.

Mai 2009: Die Kita "Milchzahn" in Berlin-Friedenau muss umziehen, weil sich ein Nachbar durch das Spielen und Toben der Kinder belästigt fühlt. Das Landgericht hatte eine Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, bei der Kita in einer Ladenwohnung handele es sich um eine "Fehlnutzung".

Oktober 2008: Das Oberverwaltungsgericht Hamburg verbietet den Betrieb einer Kindertagesstätte mit 60 Plätzen im Stadtteil Othmarschen. Eine Kita dieser Größenordnung sei in dem "besonders geschützten Wohngebiet" nicht zulässig. dpa

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