Kurz nach der Geburt umgebracht

München · Acht Babyleichen fand die Polizei im November 2015 im fränkischen Örtchen Wallenfels. Der schreckliche Verdacht: Die eigene Mutter soll sie umgebracht und in Plastiktüten verscharrt haben. Jetzt steht die 45-Jährige gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten vor Gericht.

 Acht Babyleichen fand die Polizei in diesem Haus in Wallenfels. Foto: dpa

Acht Babyleichen fand die Polizei in diesem Haus in Wallenfels. Foto: dpa

Foto: dpa

Vor dem Landgericht Coburg beginnt heute der Prozess um eine Serie von Babymorden, die im vergangenen Jahr bundesweit für Entsetzen sorgte: Angeklagt ist eine 45-Jährige, die im oberfränkischen Wallenfels binnen zehn Jahren acht Kinder geboren und dann getötet haben soll. Mit angeklagt ist ihr Mann - die Staatsanwaltschaft sieht bei beiden "sexuellen Egoismus, Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit". Über Jahre scheint in dem 2800-Seelen-Dorf niemand etwas von den ständigen Schwangerschaften der mit ihrem zehn Jahre älteren Mann mitten im Ort lebenden Andrea G. mitbekommen zu haben. Doch im November vergangenen Jahres, wenige Wochen nach dem Auszug der Frau aus ihrer Wohnung zu einem neuen Lebensgefährten, entdeckte eine Anwohnerin in dem Haus einen toten Säugling.

Die Polizei deckte bei der darauffolgenden Durchsuchung das ganze Ausmaß des Dramas auf. An verschiedenen Stellen des Gebäudes entdeckten die Ermittler insgesamt acht in Tücher und Plastiktüten gewickelte Babyleichen . Es ist ein Fall von einem äußerst seltenen Ausmaß - 2005 wurden in Brandenburg einmal neun Babyleichen entdeckt. Die in Wallenfels gefundenen Leichen waren zum Teil so stark verwest, dass sich nicht mehr bei allen Kindern nachweisen ließ, ob die Säuglinge lebensfähig waren. Ein Kind soll tot zur Welt gekommen sein, bei dreien war die Aufklärung unmöglich. Deshalb konnte die Staatsanwaltschaft die in Untersuchungshaft sitzende Frau nur wegen vierfachen Mords anklagen, ihr auf freiem Fuß lebender Mann wurde wegen Beihilfe angeklagt.

Die Anklage zeugt von einer großen Rohheit der Beschuldigten, bei denen Verhütung offensichtlich nie ein Thema war. Sie hatte zwei Kinder in die Ehe gebracht, er ebenfalls, danach bekamen sie noch drei gemeinsame Kinder. Das Paar habe, obwohl es keine Kinder mehr wollte, weiterhin ein- bis dreimal die Woche ohne Verhütung Sex gehabt. Eine Sterilisation hätten sie nicht durchführen lassen. Zwischen 2003 und 2013 habe Andrea G. alle ein- bis eineinhalb Jahre allein und ohne ärztliche Hilfe zu Hause ein Kind zur Welt gebracht. Sobald sie bemerkt habe, dass ein Neugeborenes schrie und folglich lebte, habe sie dem Kind ein Handtuch auf Mund und Nase gedrückt, bis es erstickte, und danach die Leiche regelrecht entsorgt. Ihr schon vor dem Entdecken der Taten getrennt lebender Mann habe von den Schwangerschaften gewusst, befand die Staatsanwaltschaft. Ihm sei es wie seiner Frau nur darum gegangen, uneingeschränkt sexuell aktiv sein zu können. Das Handeln seiner Frau habe er billigend in Kauf genommen. Lediglich fünf Verhandlungstage sind in dem Prozess zunächst angesetzt. Das Gericht will 24 Zeugen und drei Sachverständige hören.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort