Kultserie mit Erik Ode „Der Kommissar“ startete vor 50 Jahren

Mainz/München · Er sammelte Briefmarken und war stets am Rauchen: Kommissar Keller jagte im ZDF schon Verbrecher, bevor es bei der ARD den „Tatort“ gab.

„Der Kommissar“ hat Maßstäbe gesetzt. Für viele aus der Generation der Babyboomer war er der erste Krimi, den sie als Schulkinder im Fernsehen schauen durften. Und Erik Ode als Kommissar Herbert Keller war das Rollenvorbild für weitere stoische Ermittler wie „Derrick“ und „Der Alte“, die noch nicht zur Panzerfaust greifen mussten, um Verbrecher zur Strecke zu bringen. Die erste Folge der ZDF-Reihe war vor einem halben Jahrhundert am 3. Januar 1969 zu sehen. Es folgten fast 100 weitere.

Die Hauptrolle spielte Erik Ode (1910 – 1983) als abgeklärter Kommissar, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen war, solange es genug zu rauchen gab. Keller war umgeben von dienstbeflissenen Hilfskräften wie Günther Schramm als Inspektor Walter Grabert und seinem Kollegen Robert Heines (Reinhard Glemnitz). Noch eine Hierarchiestufe tiefer wirkte Fritz Wepper als Kriminalhauptmeister Harry Klein, der später in „Derrick“ als Assistent von Horst Tappert mehr oder weniger die gleiche Rolle einfach weiterspielte.

„Der Kommissar“ war großes Kino in Schwarz-Weiß und ein Straßenfeger in den Zeiten, als ein Raubmord in der Münchner Schickeria noch den Puls der Zuschauer schneller schlagen ließ. Die erste Folge hieß „Toter Herr im Regen“ und begann mit einer langsamen Kamerafahrt über die Leiche eines Mannes. Gleich darauf war Kommissar Keller zu sehen, der zum Einsatz gerufen wird, während er sich im behaglichen Münchner Zuhause gerade über sein Briefmarkenalbum beugt. Seine Frau hilft ihm in die Jacke und will ihm Gummigaloschen anziehen, damit er keine nassen Füße bekommt.

Das Geschlechterbild des ZDF-Krimis mutet aus heutiger Sicht reaktionär an. Die Sekretärin Fräulein Rehbein (Helma Seitz), genannt Rehbeinchen, ist etwa vor allem dafür da, den Herren der Schöpfung flugs den Cognac anzureichen, wenn diese nach aufreibenden Ermittlungen wieder ins Büro kommen. Herbert Reinecker, der auch die Drehbücher für „Derrick“ schrieb, ließ sie immerhin gelegentlich einen Einfall haben, der den Chauvi-Männern beim Lösen ihrer Fälle weiterhalf.

Der Kommissar und seine Inspektoren waren stets mit Hemd, Sakko und Krawatte bei der Arbeit und verhielten sich immer höflich. Damals war es noch unvorstellbar, wie beispielsweise Götz George später als Duisburger „Tatort“-Raubein Horst Schimanski modisch und sprachlich ungebügelt Tatverdächtigen hinterherjagte. Kommissar Keller sagt artig „Danke, gnädige Frau“, wenn ihm bei einer Befragung Kaffee angeboten wird. Und wenn ihm der Geduldsfaden reißt, klingt das allenfalls so: „Antworten Sie jetzt, überlegen Sie nicht!“

„Der Kommissar sorgte als eine Art Großvater der Nation für Recht und Ordnung in Zeiten grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen“, erklärt die Hamburger Medienwissenschaftlerin Professor Joan Bleicher. In vielen Folgen habe er am Ende eine Moralpredigt gehalten und vor den Gefahren der damaligen Jugendkultur gewarnt. „Die Bestrafung der Täter war auch eine Bestätigung der weiterhin gültigen konservativen Wertekonstellationen.“

Und weil die Straftäter regelmäßig junge Erwachsene waren, tauchten im „Kommissar“ zahlreiche junge Gesichter auf, die auch danach noch im deutschen Fernsehen zu sehen waren. „Manche wie etwa ­Pierre Franckh oder Martin Semmelrogge waren gleich mehrfach als Täter oder Tatverdächtiger zu sehen“, sagt Bleicher.

Kommissar Keller ging weder in den Ruhestand, noch wurde er zum Ende der ZDF-Reihe erschossen. Sie endete am 30. Januar 1976 mit der 97. Folge „Tod im Transit“ vergleichsweise undramatisch. Das passte zum Charakter des abgeklärten Ermittlers, der zu diesem Zeitpunkt längst Fernsehgeschichte geschrieben hatte.

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