"Kommen wir je wieder nach Hause?" Erster Erfolg im Kampf gegen Leck

Tokio. Der Kampf gegen ein Leck an der Atomanlage Fukushima kommt voran. Die Menge an ausströmendem verstrahltem Wasser habe sich verringert, berichteten japanische Medien gestern unter Berufung auf den Energiekonzern Tepco. Nach mehreren gescheiterten Versuchen half nun offenbar ein Abdichtmittel auf Basis von Flüssigglas, das die Arbeiter in den betreffenden Kanalschacht gegossen hatten

 Setsuko Nagahashi wohnt in einem Flüchtlingslager, ihr Heim musste sie verlassen. Foto: dpa

Setsuko Nagahashi wohnt in einem Flüchtlingslager, ihr Heim musste sie verlassen. Foto: dpa

Tokio. Der Kampf gegen ein Leck an der Atomanlage Fukushima kommt voran. Die Menge an ausströmendem verstrahltem Wasser habe sich verringert, berichteten japanische Medien gestern unter Berufung auf den Energiekonzern Tepco. Nach mehreren gescheiterten Versuchen half nun offenbar ein Abdichtmittel auf Basis von Flüssigglas, das die Arbeiter in den betreffenden Kanalschacht gegossen hatten.Gleichzeitig wurden Messergebnisse vom Samstag bekannt, wonach die Jod-Konzentration im Meer vor Reaktorblock 2 um das 7,5-Millionenfache über den zulässigen Grenzwerten liegt. Das bisher unkontrolliert ins Meer strömende, hoch radioaktiv verseuchte Wasser stammt vermutlich aus Block 2, in dem die Brennstäbe teilweise geschmolzen waren. Die Regierung kündigte schärfere Kontrollen bei Meeresfrüchten an. Um das Wasser endgültig zu stoppen, sollten noch einmal 1500 Liter des Abdichtmittels in den Schacht gekippt werden, meldete der Fernsehsender NHK.

Die Menschen aus der Gegend um Fukushima können sich derweil auf erste Entschädigungszahlungen einstellen. Das Geld könnte zum Monatsende fließen - wie viel, ist aber noch unklar. Über die Höhe will sich Tepco mit der Regierung beraten, wie Kyodo berichtete. Rund 80 000 Anwohner der Atomruine hatten sich in Sicherheit bringen müssen.

Die Zahl der Toten nach dem Erdbeben und dem Tsunami stieg auf 12 321. dpa Nihonmatsu. Über der Trauergemeinde im japanischen Ort Namie liegt feierliche Stille. Im Beisein des Priesters nimmt Setsuko Nagahashi Abschied von ihrem Schwiegervater. Plötzlich beginnt die Erde zu beben. "Das Gebäude schwankte gewaltig, wir gerieten in Panik", erinnert sich die 61-Jährige. Plötzlich schrillen Warnungen vor einem Tsunami durch den Ort. Ein Teil des Hauses stürzt ein. Mit ihrem Sohn, ihrem Ehemann und allen übrigen Trauergästen rennt Nagahashi in Windeseile aus dem Haus - ihr aufgebahrter Schwiegervater bleibt zurück.

In diesem Augenblick am 11. März konnte noch niemand in Japan wissen, was sich wenig später im nur einige Kilometer entfernten Kernkraftwerk Fukushima I abspielen würde. Jahrzehntelang lebten die Menschen neben dem Meiler, Nagahashis Sohn verdiente dort seinen Lebensunterhalt. Seine Teilnahme an der Bestattung seines Großvaters hat ihm vielleicht das Leben gerettet.

Seine Mutter Setsuko Nagahashi haust heute zusammen mit rund 200 anderen früheren Bewohnern ihres Heimatortes in einer zum Flüchtlingslager umfunktionierten Sporthalle in Nihonmatsu südlich der Großstadt Fukushima. Mit ihrem Ehemann teilt sie sich ein hartes, zugiges Schlaflager neben einer Tür. Sie und die anderen Opfer der größten Katastrophe, die Japan seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat, haben ihr Hab und Gut verloren. Mehrmals seit Beginn des Desasters musste sie auf Weisung der Regierung schon in andere Lager umziehen. Ihr Heimatort liegt innerhalb der Evakuierungszone, die der Staat nach dem Unfall im Umkreis von 20 Kilometern um die Atomruine gezogen hat.

"Ich frage mich, wann wir wohl jemals nach Hause kommen. Oder werden wir das überhaupt je können?" 40 Jahre ist es her, dass Nagahashi nach Namie kam, dort heiratete und seither ein glückliches Leben führte. "Wir konnten anderen stolz erzählen, dass unsere Stadt qualitativ guten Reis hat und dass unser Gemüse köstlich ist", erzählt die Japanerin schluchzend. "Wir dachten, wir hatten es gut getroffen, so zwischen Bergen und dem Meer." Nun ist alles verwüstet und hochgradig radioaktiv verstrahlt. "Selbst wenn wir am Ende wieder zurück dürften, können wir in einem solchen verseuchten Gebiet jemals wieder leben?", fragt sich die 61-Jährige. Die Regierung überlegt, manche der am schlimmsten von der Katastrophe betroffenen Wohngebiete an der Küste für immer aufzugeben und den Menschen abzukaufen.

 Setsuko Nagahashi wohnt in einem Flüchtlingslager, ihr Heim musste sie verlassen. Foto: dpa

Setsuko Nagahashi wohnt in einem Flüchtlingslager, ihr Heim musste sie verlassen. Foto: dpa

Jedes der drei Kinder von Nagahashi ist inzwischen an einen anderen Ort gezogen. Auch ihre Verwandten sind anderswo untergekommen. Ihr Sohn ist zwischenzeitlich mit Soldaten kurz in ihr zerstörtes Haus zurückgekehrt, um den Großvater zu holen und zu bestatten. Auch Nagahashi und ihr Mann werden nun fortziehen. Vielleicht für immer.

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