Knöllchen nach Quote

Paris. Caroline H. war mit ihrem neuen Freund aneinandergeraten, der junge Mann schlug zu. Der Bluterguss in ihrem Gesicht schimmerte in allen Farben. Als Caroline den Schläger anzeigen wollte, riet die Polizistin ihr ab. Möglicherweise war die Beamtin einfach um die Statistik besorgt

Paris. Caroline H. war mit ihrem neuen Freund aneinandergeraten, der junge Mann schlug zu. Der Bluterguss in ihrem Gesicht schimmerte in allen Farben. Als Caroline den Schläger anzeigen wollte, riet die Polizistin ihr ab. Möglicherweise war die Beamtin einfach um die Statistik besorgt. Polizisten in Frankreich klagen über eine "Diktatur der Quote", die dazu führe, dass Statistiken geschönt würden. So gebe es immer wieder Fälle, in denen Beamte von einer Anzeige abraten, um die Zahl der Straftaten gering zu halten, kritisieren Polizeigewerkschaften. Auf der anderen Seite soll die Zahl der Festnahmen möglichst hoch sein. Die Zeitung "Libération" veröffentlichte die handschriftliche Anweisung eines Polizisten in Lyon an seine Mitarbeiter, "den Abwärtstrend zu bremsen, um Ärger mit den Vorgesetzten zu vermeiden". Anlass des Schreibens war die Tatsache, dass seine Einheit im November 18 Festnahmen weniger verbucht hatte als ein Jahr zuvor. "Die Polizei wird mehr und mehr wie ein Unternehmen geführt, mit vorgeschriebenen Quoten und entsprechenden Prämien", sagte Polizeigewerkschafter Alain Chizat der Zeitung "Libération". Um die Zahlen aufzublähen, nähmen die Beamten etwa reihenweise Prostituierte fest. Prämien für gute QuotenBesonders absurd sind nach Ansicht von Polizeigewerkschaften Praktiken, mit denen die Aufklärungsquote aufgebessert wird: Wenn die Polizei beispielsweise einen Haschraucher festnimmt oder einen Ausländer ohne Bleiberecht abschiebt, so wird dies als aufgeklärte Straftat gewertet. Werden die Vorgaben gut erfüllt oder sogar übertroffen, gibt es Prämien. Nach Angaben der Gewerkschaften wurden im vergangenen Jahr 25 Millionen Euro an besonders effiziente Polizeieinheiten verteilt. Innenminister Brice Hortefeux rühmte sich kürzlich, dass der Anteil aufgeklärter Straftaten innerhalb der letzten neun Jahre von 25 auf 38 Prozent gestiegen sei. Bei klassischen Diebstählen von Handtaschen oder Autos wird allerdings weiterhin nur in einem von sieben Fällen der Täter gefasst. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy macht keinen Hehl daraus, dass er bezifferbare Ergebnisse sehen will. Mit Blick auf die im März anstehenden Regionalwahlen gehört die innere Sicherheit derzeit wieder zu den Lieblingsthemen der Regierung.

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