Knöcheltief im Schlamm

Braunsbach · Nach dem schweren Unwetter vom Sonntag haben im baden-württembergischen Örtchen Braunsbach die Aufräumarbeiten begonnen. Die Dorfbewohner halten in den schweren Stunden zusammen. Dass dort niemand ums Leben kam, grenzt an ein Wunder.

 Manuel Taffner (l) und sein Kollege Dimi Karagiannis verschnaufen inmitten der Zerstörung. Die Räumungsarbeiten nach dem Unwetter von Braunsbach gehen noch lange weiter. Fotos: Christoph Schmidt/dpa

Manuel Taffner (l) und sein Kollege Dimi Karagiannis verschnaufen inmitten der Zerstörung. Die Räumungsarbeiten nach dem Unwetter von Braunsbach gehen noch lange weiter. Fotos: Christoph Schmidt/dpa

Manuel Taffner schaufelt Schlamm und Geröll aus der Gaststätte "Löwen" am Markt. "Ich helfe, bis ich nicht mehr kann", sagt er. Jetzt gönnt er sich eine kleine Pause mit Würstchen und Wasser, die irgendjemand vorbeigebracht hat. Taffner hat sich Urlaub genommen, obwohl sein Haus am Hang von der Schlamm- und Gerölllawine, die am Sonntag über seinen Heimatort Braunsbach hinwegfegte, verschont blieb. "Wenn mir so was passiert wäre, bräuchte ich auch Hilfe", sagt er sichtlich erschöpft. Ist im "Löwen" nichts mehr zu tun, wollen beide "die Straße rauflaufen und irgendwo anders helfen". Die Braunsbacher halten jetzt zusammen.

Dass hier in der Nacht zum Montag niemand zu Tode kam, grenzt an ein Wunder. Ganze Hauswände sind rausgerissen. Oben am Markt liegen die Schuttberge, durchsetzt mit Baumstämmen, mannshohen Steinbrocken, zerquetschten Autos und mitgeschwemmtem Hausrat - so hoch, dass man gar nicht darüber kommt. Bagger und Schaufelradlader tragen sie ab. Lastwagen für Lastwagen wird Geröll aus dem Ort gefahren. Autowracks werden auf einen provisorischen Schrottplatz gezogen.

Auf den Straßen steht der Schlamm knöcheltief. Der Schlossbach, einer der beiden Zuflüsse zum Kocher, die am Sonntagabend gemeinsam eine unglaubliche Gewalt entwickelten, läuft noch mehr oder weniger unkontrolliert durch den Ort. Hier und da riecht es nach Benzin oder Öl, vermutlich aus den Autos, die demoliert am Straßenrand stehen. Mit einem gesprühten X sind die markiert, die auf Verschüttete kontrolliert sind. Es gebe nach wie vor keine Vermisstenmeldungen, versichert Gerhard Bauer, Landrat des Kreises Schwäbisch Hall.

Gemeinderätin Brigitte Ehrmann schaufelt Schlamm aus dem Rathaus. Die Bank, bei der sie arbeitet, hat ihr freigegeben. "Gestern Abend um zehn war die Vertretung organisiert, das ist super." Am Montag hat sie mit ihrer Schaufel in der Festhalle geholfen, heute steht sie wieder schlammverschmiert im Rathaus des 2000-Seelen-Dorfes. Bürgermeister Frank Harsch wirkt noch erschöpfter als am Vortag. Doch er ist auch stolz auf seine Gemeinde. "Es ist ein Wahnsinn: Alle haben Kumpels oder Verwandte organisiert, die mithelfen." Die Stromversorgung solle so schnell wie möglich wieder hergestellt werden, die Wasserversorgung natürlich auch. Der Weg zurück zum alten Braunsbach könne Monate dauern.

"Das Telefon bei uns steht nicht still", berichtet Landrat Bauer. "Die Hilfsbereitschaft ist wirklich enorm." Sogar so groß, dass die Polizei am Mittag dazu aufruft, Hilfslieferungen einzustellen. Abgestellte Fahrzeuge und deren Hilfsgüter blockierten Zufahrtswege, so dass es zu Verzögerungen bei den Aufräumarbeiten komme. Derweil hofft Bauer auf Zuschüsse von Land und Bund.

 Ein kleines Mädchen sammelte Gummi-Entchen, die durch den Ort geschwemmt wurden.

Ein kleines Mädchen sammelte Gummi-Entchen, die durch den Ort geschwemmt wurden.

In der Infozentrale der Gemeinde in der Grundschule auf dem Berg gibt es kostenlose Kosmetikartikel wie Zahnbürsten. Schule und Kindergarten bleiben die ganze Woche geschlossen. Deshalb packen auch die Kleinen mit an. Mit Besen schieben die zwölfjährige Carolin und ihr Bruder Florian (8) Schlamm aus dem Geschäft ihres Vaters. Carolin kann sich auch gar nicht vorstellen, in diesem Moment in der Schule zu sein: "Ich könnte mich da gar nicht konzentrieren, wenn ich weiß, dass die Leute hier Hilfe brauchen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort