Kinder-Verschwörung in der Grundschule?

Waycross/Georgia. Ein altersschwaches Steak-Messer, ein Papierbeschwerer, Handschellen und Klebeband, Gegenstände, die drei Grundschüler mit sich führten, haben in der amerikanischen Kleinstadt Waycross zu einem spektakulären Polizeieinsatz geführt

Waycross/Georgia. Ein altersschwaches Steak-Messer, ein Papierbeschwerer, Handschellen und Klebeband, Gegenstände, die drei Grundschüler mit sich führten, haben in der amerikanischen Kleinstadt Waycross zu einem spektakulären Polizeieinsatz geführt. Die Schulleitung hatte die Beamten benachrichtigt, die mit Blaulicht anrückten, Beweismittel sicherstellten und die Verdächtigen verhörten - drei Drittklässler die jetzt wegen gemeinschaftlicher Verschwörung angeklagt sind. "Daraus hätte sich eine extrem gefährliche Situation entwickeln können," erklärt Tony Tanner, Polizeichef der Kleinstadt im Süden Georgias. Schließlich könnte die Sonderschullehrerin Belle Carter heute tot sein, wäre der Plan der jungen Verschwörer aufgegangen. "Die Leute müssen das verstehen." Doch das Verständnis für das entschiedene Durchgreifen der Ordnungshüter und Verantwortlichen der "Waycross Center Elementary School" hält sich in Grenzen. Viele Reporter dachten zunächst, bei der Geschichte handle es sich um einen Aprilscherz. Denn dass zwei Mädchen im Alter von neun und zehn Jahren sowie ein achtjähriger Junge, allesamt Kinder mit Lernbehinderungen, gemeinsam einen Mord an ihrer Lehrerin planen, erscheint ziemlich weit hergeholt. Der Psychologe Louis Kraus vom Rush University Medical Center in Chicago meint, Grundschüler seien wohl in der Lage, sich Rollenspiele auszudenken, doch eine Verschwörung hält er für "ein höchst unwahrscheinliches Szenario".Die Reaktionen von Schulleitung und Polizei sind dabei wohlbemerkt kein Einzelfall. Statistiken zeigen, dass Schulleiter auch andernorts alle Register ziehen, um ihre Zöglinge im Zaum zu halten und sich selber vor Prozessen zu schützen. Seit zwei Entscheidungen des Verfassungsgerichts aus den 90er Jahren müssen Schulen eine "Null-Toleranz"-Politik durchsetzen, wenn es darum geht, Kinder vor ihren Mitschülern zu schützen. "Manchmal geht dabei der gesunde Menschenverstand verloren", räumt die Präsidentin der nationalen Lehrerorganisation (NAESP), Mary Kay Sommers, ein. Allein im US-Bundesstaat Maryland sind 166 Grundschüler wegen "sexuellen Berührungen", die ihnen verboten sind, aktenkundig. Virginia weist 225 "Fälle" auf. Darunter den des sechsjährigen Randy. Sein Vergehen: Beim Spielen auf dem Schulhof klatschte er einem Mädchen auf den Hintern. In Texas suspendierte eine Schule einen Vierjährigen, weil er sein Gesicht beim Knuddeln in die Brüste der Lehrerin drückte. Der Vorwurf: sexuelle Belästigung. Auch im aktuellen Fall in Waycross, Georgia, wird hart durchgegriffen. Der örtliche Staatsanwalt Rick Currie erhob Anklage gegen die drei Grundschulkinder. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes, gemeinschaftlicher Verschwörung und geplantem Angriff auf die Lehrerin. Im Gefängnis werden die Verschwörer aber nicht landen, denn Haftanstalten, die Kinder unter 13 Jahren unterbringen könnten, gibt es laut Currie nicht. "Manchmal geht der gesunde Menschenverstand verloren." Mary Kay Sommers, Nationale Lehrerorganisation

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