Karneval im dünnen Nervenkostüm

Köln (dpa) · Die Angst vor einem Anschlag, ein mulmiges Gefühl nach den Silvester-Übergriffen: Kann in den Karnevalshochburgen unbeschwert gefeiert werden? Die Polizei sorgt sich um Waffenattrappen - und manche Jecken wollen die Großstädte ganz meiden.

Vorfreude sieht anders aus: Die Anspannung vor den tollen Tagen steigt in den rheinischen Hochburgen. Dort werden zum Straßenkarneval von nächster Woche an viele Hunderttausend Jecken erwartet.

Zur unterschwelligen Sorge vor einem Terroranschlag mischt sich kurz zuvor das Erschrecken über einen verdächtigen Mann, der in einem Baumarkt bei Köln Chemikalien kaufte. Die Vermutung, er wollte eine Bombe bauen, erwies sich zwar als grundlos, zeigt aber die wachsende Nervosität. Ein mindestens mulmiges Gefühl kommt auch wegen der massenhaften Silvester-Übergriffe auf Frauen auf. Dieses Jahr dürfte so mancher Jeck einen Bogen um Köln oder Düsseldorf machen.

Die Polizei appelliert, auf verdächtige oder martialische Kostüme und vor allem auf Waffenattrappen zu verzichten. „Karneval muss man sich ordentlich verkleiden dürfen. Aber eine gewisse Zurückhaltung wäre schon sinnvoll“, sagt Stephan Hegger, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen. „Man sollte die Lage nicht noch zusätzlich erschweren.“ Auftritte als Terrorist oder Taliban „überschreiten die Grenze des guten Geschmacks und des Anstands“.

Die Kölner Polizei rüstet sich bereits seit Wochen. Ein Sprecher mahnt: „Jeder sollte sich bewusst sein, dass gewisse Kostüme Irritationen auslösen können.“ Und: „Wenn jemand mit einer Bombenattrappe unterwegs ist oder mit einem echt aussehenden Sturmgewehr, kann es gut sein, dass wir auf Nummer sicher gehen müssen. Wenn wir eine Gefahr sehen, werden wir rangehen.“ Aus Düsseldorf heißt es bei der Polizei: „Selbstverständlich sollte man nicht mit einem imitierten Sprengstoffgürtel losziehen.“

Auswahl hat die närrische Kundschaft da allerdings reichlich. Die Läden bieten teilweise regalmeterweise Handgranaten, Maschinengewehre, Kalaschnikows, Pistolen, Patronengürtel, aber auch SEK-Helme, Polizeiwesten, Perücken, Bärte, allerlei Gewänder und Uniformen. Die „Spaß“-Kopie vom Original zu unterscheiden, könnte für Laien und im Getümmel schwierig sein.

Wenn also ein verhüllter Turban-Träger eine Clown-Dame heftig umschlingt oder sich ein Soldat mit angelegtem Munitionsgürtel in Stimmung schunkelt, könnte das in diesem Jahr manch einen beunruhigen. „Und mit einer Kalaschnikow rumzulaufen, geht gar nicht. Das ist auch zu Karneval kein Scherz“, mahnt Hegger. Bei kleinen Revolvern seien die Imitate besonders schwer von echten Waffen zu unterscheiden. Sie könnten einen falschen Alarm auslösen.

Die Sicherheit beschäftigt längst intensiv die Politik. Das nordrhein-westfälische Innenministerium verspricht mehr Einsatzkräfte an den tollen Tagen. Die Stadt Köln will das Sicherheits- und Ordnungspersonal ebenfalls aufstocken. Damit die Feierei möglichst angstfrei abläuft, soll es einen Sicherheitspunkt für Frauen und Mädchen geben. Dass nun aber diskutiert wird, welche Kostüme ratsam sind, sei besorgniserregend, sagte FDP-Innenexperte Marc Lürbke jüngst im Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags. Die Bevölkerung sei verunsichert.

Und was sagen die Karnevalsfans? „Ich kann gut verstehen, dass manche dieses Jahr kein Risiko eingehen wollen und die großen Menschenmassen in Köln und Düsseldorf meiden“, meint Patricia Schlagmann. Ihre Kollegin erzählt: „In unserem Bekanntenkreis haben sich alle mit Pfefferspray eingedeckt, sofern das nicht schon komplett ausverkauft war.“ Oberstufenschülerin Nele (17) verzichtet diesmal auf Weiberfastnacht und Rosenmontag in Köln. „Gerade bei den Mädchen aus unserer Stufe haben das viele Eltern verboten.“

Totale Sicherheit wird es aber nicht geben - unabhängig von der Frage nach Kostüm oder Waffenattrappe, glaubt Student Peter (18): „Wer ein Handy klauen will oder grapschen will oder - noch schlimmer - eine Bombe zünden will, kann das leider auch im Tigerkostüm.“

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