Kammerdiener vor Gericht

Rom. Es ist der Prozess des Jahres im Vatikan. Und doch beginnt an diesem Samstag das Verfahren gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes wegen schweren Diebstahls in einem der engsten Räume, die im Schatten des Petersdoms zu finden sind

Rom. Es ist der Prozess des Jahres im Vatikan. Und doch beginnt an diesem Samstag das Verfahren gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes wegen schweren Diebstahls in einem der engsten Räume, die im Schatten des Petersdoms zu finden sind. Gerade einmal acht Plätze sind für Journalisten aus aller Welt in der kleinen Gerichtsaula an der Piazza Santa Marta hinter den Vatikanmauern reserviert. Fotografen und Kameraleute sind nicht zugelassen, auch das Senden von Kurzbotschaften und Telefonieren ist während des Prozesses nicht gestattet.Auf den gepolsterten Holzstühlen des Gerichtsaals werden neben Paolo Gabriele (46), dem wegen Beihilfe mitangeklagten Informatiker Claudio Sciarpelletti, dem Ankläger sowie Anwälten im Wesentlichen nur noch die drei Richter Platz nehmen. Der Prozess gegen den ehemaligen Papst-Butler erregt weltweit Aufsehen. Die Aussichten, dass der von Vatikansprecher Federico Lombardi einst als "Vatileaks" bezeichnete Skandal um die Veröffentlichung geheimer Dokumente aus dem päpstlichen Appartement nun endgültig aufgeklärt wird, sind jedoch eher gering. Darauf deutet hin, dass eine vom Papst aus drei Kardinälen zusammengesetzte Kommission auf der Suche nach Hintermännern weiter ermittelt. Unterdessen wird auch im Apostolischen Palast über die Identität der mehr als ein Dutzend in der Anklageschrift zitierten Zeugen spekuliert. Sie firmieren in der Anklage mysteriös unter den Buchstaben des Alphabets. Allein Papstsekretär Georg Gänswein, der Gabriele als undichte Stelle enttarnte, ist namentlich benannt. Die Identität der anderen Zeugen könnte bekannt werden, sollten sie zur Aussage im Prozess vorgeladen werden. Die Anklageschrift hat das Presseamt auf der Homepage des Heiligen Stuhls öffentlich gemacht.

Das Verfahren wird in seinen Grundzügen dem italienischen Straf- und Prozessrecht folgen, mit ein paar Besonderheiten. Die drei Richter sind italienische Staatsbürger und anerkannte, vatikantreue Juristen. Im Gegensatz zu den drei höchsten Gerichten der katholischen Kirche - die Apostolische Pönitentiarie, die Apostolische Signatur und das Gericht der Römischen Rota - beschäftigt sich das Tribunal mit Straftaten auf dem vatikanischen Staatsgebiet und nicht mit Verstößen gegen das Kirchenrecht.

Papst kann Strafe aufheben

Als sicher gilt, dass sich der Prozess, dessen Verhandlungen Samstagvormittags stattfinden, nicht besonders in die Länge ziehen wird. Das Vatikantribunal muss nicht mehr als 30 Verfahren pro Jahr abwickeln, die meisten wegen Diebstählen im Petersdom. Zu einem raschen Verfahren könnte auch beitragen, dass Gabriele geständig ist. Gabriele drohen bis zu vier Jahre Haft, die er in einem italienischen Gefängnis absitzen müsste. Im Vatikan gibt es keine adäquate Haftanstalt. Der Papst kann den Angeklagten aber jederzeit begnadigen.

Paolo Gabriele, der am 23. Mai 2012 verhaftet wurde, hat sich offenbar in Absprache mit seiner Anwältin von seiner Rolle als Aufklärer verabschiedet. Er baut nun auf die Gnade des Papstes. In einem Fernsehinterview mit dem Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi, dem er zahlreiche Dokumente zugespielt hatte, behauptete er noch, vom "Heiligen Geist" angetrieben worden zu sein.

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