Kälteschlaf auf ungewisse Zeit

London · Eine 14-jährige Britin hat kurz vor ihrem Tod gerichtlich durchgesetzt, dass ihre Leiche eingefroren wird. Das Mädchen hoffte, eines Tages aufgetaut und von ihrer schweren Krankheit geheilt werden zu können.

 In den Stickstoff-Tanks eines Instituts in den USA ist die Leiche des britischen Mädchens eingefroren. Foto: CRYIONICS INSTITUTE/dpa

In den Stickstoff-Tanks eines Instituts in den USA ist die Leiche des britischen Mädchens eingefroren. Foto: CRYIONICS INSTITUTE/dpa

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Ihr größter Wunsch war es weiterzuleben. Dann starb das Mädchen . Die 14-jährige Britin litt an einer schweren und seltenen Krebserkrankung, für die es keine Heilung gibt. Noch nicht. Aber warum, so fragte sie sich, sollte sich das nicht innerhalb der nächsten 100 Jahre ändern? Oder in 200 Jahren? Kann man den Tod etwa überlisten, austricksen? Die Schülerin recherchierte im Internet und stieß auf die Praxis der sogenannten Kryonik, bei der Körper von Menschen, die an unheilbaren Krankheiten gestorben sind, bei tiefen Temperaturen eingefroren werden und wieder zum Leben erweckt werden sollen, wenn die Medizin entsprechende Fortschritte vorweisen kann.

Der Begriff kommt vom griechischen Wort Kryos, das Frost oder Eiseskälte bedeutet. Das Mädchen beschloss, sich konversieren zu lassen. "Ich möchte nicht unter der Erde begraben werden. Ich will leben und länger leben, und ich glaube, dass man in der Zukunft eine Therapie für meinen Krebs finden wird und mich wieder aufwecken kann. Ich möchte diese Chance haben", schrieb die Teenagerin kurz vor ihrem Tod an den Richter Peter Jackson , der sich mit ihrem Fall beschäftigt hatte. Denn die minderjährige Britin konnte die Entscheidung nicht alleine treffen, die geschiedenen Eltern aber zeigten sich uneins über den letzten Wunsch ihrer Tochter. Die Mutter unterstützte das Vorhaben, der Vater, mit dem das Mädchen sieben Jahre lang keinen Kontakt hatte, lehnte es zu Beginn ab. Deshalb landete der Streit vor Gericht, dessen Urteil nun als historisch bezeichnet wird.

Der Richter gab der Mutter das Recht zu entscheiden, was mit dem Körper der Jugendlichen nach deren Tod geschehen soll. Ihre offenen Worte hätten ihn überzeugt, ihr ihren letzten Wunsch zu gewähren, sagte Jackson. Er habe die "aufgeweckte, kluge" Jugendliche im Krankenhaus besucht und sei davon beeindruckt gewesen, wie tapfer sie mit dem nahenden Tod umgegangen ist. Dies sei der erste derartige Gerichtsfall in Großbritannien, wenn nicht sogar weltweit. Er habe aber in seinem Urteil nicht darüber bestimmt, ob die unter Medizinern als Methode stark umstrittene Kryonik richtig oder falsch ist, sondern vielmehr über den Konflikt der Eltern über die Bestattung ihrer Tochter, betonte er. Dass der Fall erst einen Monat nach dem Tod des Mädchens bekannt wird, liegt an einer Mediensperre, die aus Pietätsgründen verhängt wurde. Noch ist völlig unklar, ob das Auftauen der eingefrorenen Toten wirklich funktioniert, ohne etwa Zellen zu beschädigen, und ob Menschen nach ihrer Lagerung in flüssigem Stickstoff wiederbelebt werden können. Die Technik berührt zudem ethische und religiöse, ja grundlegende Fragen des menschlichen Seins. Bislang existieren lediglich in den USA und in Russland Institutionen, die Leichname einfrieren. In den USA ruht nun der Körper der 14-Jährigen. Rund 43 000 Euro bezahlten ihre Großeltern dafür. Ihr Blut wurde durch eine spezielle Kühlflüssigkeit ersetzt. Erst dann konnte der Leichnam bei minus 196 Grad Celsius zur Aufbewahrung eingefroren werden - ein Kälteschlaf auf ungewisse Zeit.

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