Kachelmann rechnet ab

Mannheim. Es sieht aus, als hätte der Heyne-Verlag geahnt, dass es Ärger geben würde um Jörg Kachelmanns Buch: Vorabexemplare für Journalisten gab es nicht, und nach einem Verwirrspiel um das Erscheinungsdatum lag das Werk mit dem Titel "Recht und Gerechtigkeit" am Montag plötzlich in den Buchhandlungen

Mannheim. Es sieht aus, als hätte der Heyne-Verlag geahnt, dass es Ärger geben würde um Jörg Kachelmanns Buch: Vorabexemplare für Journalisten gab es nicht, und nach einem Verwirrspiel um das Erscheinungsdatum lag das Werk mit dem Titel "Recht und Gerechtigkeit" am Montag plötzlich in den Buchhandlungen.Schon drei Tage später sprach das Landgericht Mannheim ein erstes Verbot aus: Der Verlag darf das Buch nicht verbreiten, solange Kachelmanns Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird. Das betrifft aber nicht die Exemplare, die schon im Buchhandel liegen. So könnte die drohende Verknappung den Verkauf sogar anheizen.

Natürlich ist das Buch auch eine Abrechnung: 44 Verhandlungstage lang saß Kachelmann vor Gericht, weil er seine Ex-Geliebte vergewaltigt haben soll. Und der Moderator musste das tun, was ihm als Angeklagten aus juristischer Sicht wohl zu raten war: Schweigen. Zuhören, wie andere schlimme Dinge über ihn erzählen. Kein Wunder, dass es in Kachelmann gärte und brodelte.

Diese Wut ist auch im Buch zu spüren, das der Moderator gemeinsam mit seiner Frau geschrieben hat. Sein Zorn richtet sich zunächst gegen den "kollektiven Verurteilungsfuror" von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Das liest sich im Detail amüsant. Etwa, wenn der Wetterexperte einem Staatsanwalt bescheinigt, dieser habe "die nasseste Hand der nördlichen Hemisphäre". Auch "die Medien" kriegen ihr Fett ab. Kachelmann teilt klar in Gut und Böse - und bis auf zwei Reporterinnen, die früh von seiner Unschuld überzeugt waren, finden sich alle auf der bösen Seite wieder.

Doch wie der Buchtitel andeutet: Kachelmann will mehr. Es geht auch ums Ganze. Darum, "was geändert werden müsste, damit Deutschland wieder gewissenhaft als Rechtsstaat bezeichnet werden kann". An diesem Anspruch allerdings scheitert das Buch. Klar, es werden steile Thesen aufgestellt: Etwa, es gebe eine "gewohnheitsmäßig männerverurteilende Justiz", oder "weit über die Hälfte der angezeigten Vergewaltigungen" sei nicht real. Da allerdings würde man sich doch ein paar Belege wünschen, nicht nur altkluge Platitüden.

Das Buch hat dennoch seine lesenswerten Momente: Immer dann, wenn es konkret wird, vor allem bei der Schilderung des Gefängnisalltags. Und man kann nach der Lektüre mit einigem Recht fragen, warum der Staat es offenbar in vielen Fällen nicht schafft, Untersuchungsgefangene, für die schließlich die Unschuldsvermutung gilt, halbwegs anständig zu behandeln. dpa

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