Jahresrückblick Hannelore Elsner Hannelore Elsner und das Glück der späten Kinojahre

Die Bühne ist noch immer ungerecht zu den Frauen: Die furchtbaren Alten, die wunderbaren Greise; das (klassische) Theater kennt solch große Auftritte für Schauspielerinnen nicht.

 Die Schauspielerin Hannelore Elsner Anfang der 1970er Jahre.

Die Schauspielerin Hannelore Elsner Anfang der 1970er Jahre.

Foto: picture alliance / United Archiv/dpa Picture-Alliance / Siegfried Pilz

Frau darf sich nicht auf einen Lear freuen, den Mann noch spielen kann – selbst mit 80. Auch deshalb war es sicher ein Glück für Hannelore Elsner, dass sie zwar auch Theatermimin war, vor allem jedoch Kino und Fernsehen ihre Bühne waren. Dort finden sich die Rollen für Schauspielerinnen, die lebenslang auf der Suche bleiben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Hannelore Elsner, die am 21. April in ihrer Wahlheimat München mit 76 Jahren gestorben ist, dies erst erkämpfte. Im deutschsprachigen Raum gehörte sie fraglos mit ihren Kolleginnen Senta Berger, Hannelore Hoger und Christiane Hörbiger zu jenen, die sich die späte Rollenlust erst mit unglaublichem Einsatz erspielen mussten.

Dabei legte Elsner, 1942 im bayrischen Burghausen geboren, nach Kriegsnachwehen, Klosterschule und Schauspielausbildung mit 17 einen Kinofrühstart hin, der leicht mit dem Etikett „Filmschönheit“ hätte enden können. Sie drehte mit Freddy und, kokettierte sich als französische Austauschschülerin durch einen der unsäglichen „Lümmel-Filme. Gewiss, all diese Seichtigkeiten nährten sie gut, aber künstlerisch? Doch Elsner kann sich tatsächlich in den 70ern aus Opas Kino loseisen. Der Neue Deutsche Film nimmt sie nun wahr; genau genommen hat sie in Will Trempers kühnem Improvisationsspiel „Die endlose Nacht“ 1963 der deutschen Kino-Avantgarde sogar schon Avantgarde vorgemacht.

Doch das bleibt nicht die einzige Zäsur. In den 80ern und 90ern etabliert sich Elsner vor allem als feste Bank für die Fernseh-Abendunterhaltung, im „Tatort“ oder selbst als „Die Kommissarin“ – mit über 60 Folgen ein ARD-Dauerläufer. Auch mit Interimspartner Dieter Wedel, dem Vater ihres Sohnes, dreht sie. Doch gleich, worin sie vor der Kamera steht, Elsner zeigt nie bloß ein Seriengesicht: Man ahnt Abgründe hinter ihren bannenden braunen Augen, hört aus dem dunkel-melancholischen Stimmton stets mehr heraus.

 Schauspielerin Hannelore Elsner Anfang 1970er Jahre.

Schauspielerin Hannelore Elsner Anfang 1970er Jahre.

Foto: picture alliance / United Archiv/dpa Picture-Alliance / Siegfried Pilz

Doch erst mit der nächsten Zäsur beginnen Hannelore Elsners wohl besten Schauspielerinnenjahre. In Oskar Roehlers „Die Unberührbahre“, ein Psychogramm der Schriftstellerin Gisela Elsner, lässt sie im Jahr 2000 diese Frau über die letzten Grenzen hinaustreiben bis in die Selbstauslöschung. Der Film wird für Hannelore Elsner zum Triumph und stößt ihr Türen auf zu noch mehr Kino von Rang – wie etwa Doris Dörries west-östlicher Paargeschichte „Kirschblüten Hanami“. Über 60 Film- und Fernsehfilme hat sie seit dem Jahr 2000 gedreht. Ein gewaltiges, ein beeindruckendes Spätwerk.

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