Japans Senioren mögen's rot

Tokio. Es geht laut und fröhlich zu bei den Gruppen, die am Wochenende in Tokios beliebtes Sugamo-Viertel strömen. Aber anders als sonst auf den angesagten Einkaufs- und Vergnügungsmeilen sind hier die Touristen meist grauhaarig und nicht selten mit Stöcken unterwegs

Tokio. Es geht laut und fröhlich zu bei den Gruppen, die am Wochenende in Tokios beliebtes Sugamo-Viertel strömen. Aber anders als sonst auf den angesagten Einkaufs- und Vergnügungsmeilen sind hier die Touristen meist grauhaarig und nicht selten mit Stöcken unterwegs. Da die japanische Bevölkerung im Durchschnitt immer älter wird, haben sich Händler in diesem nördlichen Bezirk der japanischen Hauptstadt auf die Bedürfnisse von Senioren eingerichtet. Die Läden profitieren vom schnellen Altern der japanischen Gesellschaft, wo bereits jeder fünfte der 127 Millionen Einwohner 65 Jahre oder älter ist. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit ins Rentenalter kommen, wird dieser Markt weiter wachsen. Bekömmlich und gesundHaruko Sugisawa von der Sugamoen-Bäckerei versichert seinen Kunden, ihre Backwaren seien alle bekömmlich und gesund: "Unsere Kuchen enthalten keine Chemie und wenig Zucker." Nebenan floriert das winzige Restaurant Tokiwa Shokudo mit "Essen wie Zuhause". "Unsere Kunden sind fast immer alleinstehende ältere Männer", sagt Geschäftsführer Yuki Saito. Ein Muss für ältere Damen sind die Bekleidungsgeschäfte und deren Angebot an roten Dessous. Die traditionelle asiatische Medizin besagt, rote Unterwäsche wärme den Körper. Auch wenn viele am medizinischen Nutzen zweifeln und vor allem einen psychologischen Effekt vermuten, avancierte die rote Wäsche zum meist gekauften Geschenk für Japaner ab 60 Jahren. "Unsere alten Damen fragen schon seit 15 Jahren nach roten Sachen", sagt Hideji Kudo von der Maruji-Boutique. Der Laden bietet eine komplette Kollektion im gleichen Rot - von der Unterwäsche über Hosen bis zu den Hüten. "80-Jährige kaufen Kleidung für ältere Menschen. Aber 60-Jährige wollen Kleidung, die sie jung aussehen lässt, und die ist schwieriger zu entwerfen", sagt Kudo. Die eigentliche Attraktion des Viertels ist der Kogan-ji Tempel mit einer Statue der Gottheit Togenuki. Togenuki soll Beschwerden lindern helfen, wenn man an ihr reibt. "Ich habe Schmerzen in der Wirbelsäule, deshalb möchte ich Togenuki waschen", sagt Shizuko, eine Frau in den Siebzigern aus Yokohama. Kranke pilgern schon seit den Nachkriegsjahren zu dem Tempel. Vor 30 Jahren stieg die Popularität des Sugamo-Viertels noch an, als eine Zeitung es "Harajuku für Omas" taufte - in Anlehnung an das schicke, junge Harajuku-Viertel von Tokio. "Seither kommen mehr und mehr ältere Menschen hierher", sagt der 82-jährige Shigeru Yamanaka, Inhaber des Schuhgeschäfts Suzukiya. Viele Senioren zieht es mit Freunden nach Sugamo, aber auch mit Liebhabern. Gerüchten zufolge soll es der Gesundheit förderlich sein, in Sugamo der Liebe zu frönen. So erfreuen sich auch die Stundenhotels des Stadtviertels regen Zulaufs.

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