Interview „Eher wie eine banale Erkältung“

Berlin · Interview mit dem Virologen Hendrik Streeck von der Uniklinik Bonn über die Gefahren durch das Coronavirus.

 Sieht keinen nationalen Notstand in Deutschland wegen des Coronavirus: Hendrik Streeck.

Sieht keinen nationalen Notstand in Deutschland wegen des Coronavirus: Hendrik Streeck.

Foto: Frank Burghard

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat wegen der raschen Ausbreitung des Coronavirus den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Ein Gespräch mit mit Hendrik Streeck, Professor für Virologie an der Uni-Klinik Bonn.

Herr Streeck, wurde das Coronavirus bislang unterschätzt?

STREECK Nein. Wir haben sehr viel Erfahrung mit Coronaviren. Das ist eine Viren-Familie, die jeden Winter für grippale Infekte sorgt. Die Todeszahlrate bei der aktuellen Infektion ist allerdings sehr gering.

Was ist das Besondere an dem neuen Virus?

STREECK Das Besondere ist, dass wir es vorher nicht kannten und dass es vor relativ kurzer Zeit vom Tier auf  Menschen übergegangen sein muss. Letzteres kommt immer mal wieder vor. Aber bei den anderen Virusausbrüchen waren die Todeszahlen deutlich höher. Die meisten Menschen, die jetzt mit dem Coronavirus infiziert sind, haben sehr milde Erkrankungssymptome. Nur wenige haben schwere Erkrankungen und nur zwei Prozent versterben. Das sind meistens Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Zum Vergleich: Ein anderes Coronavirus ist das Sars-Virus, das kurz nach der Jahrtausendwende auftrat. Daran starb damals jeder Zehnte, der sich damit infiziert hatte. Bei der Vogelgrippe 1997 war es sogar jeder Zweite.

Was bedeutet die WHO-Entscheidung für Deutschland?

STREECK Eigentlich erst mal nichts. Signalisiert wird damit nur, dass es eine größere Wachsamkeit geben sollte.

Italien hat schon den nationalen Notstand ausgerufen, nachdem dort zwei Fälle bestätigt wurden...

STREECK Deutschland reagiert bislang genau richtig. Wir haben keinen nationalen Notstand. Wenn man sich die bis dato sechs Fälle bei uns anschaut, dann sind das Krankheitsverläufe, die eher an eine banale Erkältung erinnern.

Wären die Kliniken auf eine raschen Anstieg der Fallzahlen vorbereitet?

STREECK Unsere Kliniken sind auch für schwerere Pandemien gut vorbereitet. Universitäre Krankenhäuser  können zusätzlich noch Sicherheitsvorkehrungen für ihre Mitarbeiter treffen, die in normalen Kliniken zumeist nicht existieren. Auch die Anzahl der Betten bezogen auf die Bevölkerung ist in Deutschland  deutlich höher als in China, wo das Virus seinen Ausgang nahm.

Wie kann man sich schützen?

STREECK Der beste Weg sich zu schützen, ist eine gute Hände-Hygiene. Die meisten viralen Erkrankungen werden durch die Hände übertragen. Das schützt übrigens auch vor anderen Infekten, die in dieser Jahreszeit umgehen. Man sollte sich deshalb auch gegen Grippe impfen lassen. Gegen den neuen Coronavirus hilft die Impfung allerdings nicht.

Rechnen sie hier bald mit einem wirksamen Impfstoff?

STREECK Es kann relativ schnell gehen, einen Impfstoff zu entwickeln. Aber bis er wirklich zur Verfügung  steht, vergeht mindestens ein Jahr. Denn er muss erst einmal bei Tieren und später bei gesunden Menschen getestet werden. So sind die Vorschriften. Man muss deshalb aber nicht in Panik verfallen. Denn wie gesagt, die allermeisten Krankheitsverläufe sind eher harmlos. Ich halte die Debatte über das Virus deshalb auch zum Teil für übertrieben. Wir werden immer wieder neue grippale Infekte entdecken. Das liegt in der Natur der Sache.

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