Inszenierung einer Trennung

Moskau · Scheidungsgerüchte um Russlands mächtigsten Politiker gibt es seit langem. Nun verkündet Kremlchef Putin im Staatsfernsehen die Trennung von Ljudmila Putina nach fast 30 Jahren Ehe.

Die Abendnachrichten fangen unspektakulär an. Ja, geradezu langweilig. "Heute hat Juri Baschmet im Kremlpalast das Ballett ,Esmeralda' nach Victor Hugo vorgestellt", sagt die Moderatorin. Beiläufig tut sie das, ohne jede Aufregung. Denn was für eine Sensation liegt schon in einem solchen Satz? Die Überraschung, so demonstriert das russische Staatsfernsehen auch dieses Mal wieder, muss inszeniert werden: Die Moderatorin von "Rossija 24" erwähnt zunächst die Primaballerina, spricht sodann davon, dass auch der Staatspräsident unter den Gästen geweilt habe. Mit seiner Ehefrau. Die Spannung steigt. Seit mehr als einem Jahr hatte sich Wladimir Putin nicht mehr mit seiner Angetrauten gezeigt, von Affären und unehelichen Kindern wurde gemunkelt.

"Wie gefällt Ihnen Esmeralda?", fragt die 32-jährige Journalistin in der Theaterpause. "Wirklich bemerkenswert", sagt Putin. "Die Bewegungen sind so leicht, so schwerelos", fügt Ljudmila Putina hinzu. "Es gibt Gerüchte", setzt die Journalistin dann an, "dass Sie nicht mehr zusammenleben. Ist das so?" Die Frage mutet wie ein Tabubruch an. Das Privatleben des Präsidenten, so die Linie des Kremls, gehe niemanden etwas an. Alle Erkundigungen danach, alle Spekulationen pflegte der russische Staatschef stets geflissentlich zu übergehen. Hier aber schaut er kurz zu seiner Ljudmila, sie nickt verständnisvoll. "Ja, es ist so", sagt Putin. Es ist das perfekte Arrangement einer Scheidung durch die Hintertür. Mag der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow noch so sehr davon reden, der Präsident habe lediglich die Frage der Journalistin beantwortet, der Verhaltenskodex bleibt auch nach diesem "Geständnis" derselbe: In Russland bestimmt der Präsident allein, wann er wie etwas preisgibt.

Putin rechtfertigt sich, spricht von seinem "sehr öffentlichen Job". Es ist ein Ende nach fast 30 Jahren Ehe, zerfressen durch den Dienst an der Macht. In der offiziellen Biografie des Präsidenten taucht auch am Tag nach den Abendnachrichten nichts von der Scheidung auf. Rechtmäßig geschieden seien die Putins ohnehin noch nicht, lässt der Kreml mitteilen. Die Zeitungen drucken Bilder von Putins Händen. Saß doch der Präsident im ersten Esmeralda-Akt noch mit Ehering, im zweiten aber ohne ihn da.

Hobby-Historiker suchen derweil nach Beispielen in der Geschichte: auch Zar Peter I. habe sich während seiner Regentschaft von seiner Jewdokija scheiden lassen. Das Land fragt sich nun, wann denn der nächste Akt aufgeführt wird. Wann die Neue vorgestellt wird.

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