In Ruhe und Frieden grillen

München. Ihr perfekter Picknickplatz liegt zwischen drei Grabsteinen. Im Halbschatten einer großen Eiche auf dem Münchner Nordfriedhof haben die drei jungen Mütter ihre Decke ausgebreitet und die Tupperdosen geöffnet. Ein kleiner Junge klettert auf einen alten Grabstein, hält sich am Kreuz fest und springt mit einem Satz herunter

 Weil öffentliche Parks fehlen, entspannen die Münchner immer öfter auf Friedhöfen. Foto: dpa

Weil öffentliche Parks fehlen, entspannen die Münchner immer öfter auf Friedhöfen. Foto: dpa

München. Ihr perfekter Picknickplatz liegt zwischen drei Grabsteinen. Im Halbschatten einer großen Eiche auf dem Münchner Nordfriedhof haben die drei jungen Mütter ihre Decke ausgebreitet und die Tupperdosen geöffnet. Ein kleiner Junge klettert auf einen alten Grabstein, hält sich am Kreuz fest und springt mit einem Satz herunter. Ein paar Meter weiter spielt eine Gruppe der nahe gelegenen Kindertagesstätte. Sieben Jungen und Mädchen bemalen einen knorrigen Baum mit bunter Kreide. "Es ist die einzige Möglichkeit für uns, rauszukommen", sagt Erzieherin Denise Raines.Die Münchner Friedhöfe verwandeln sich zum Freizeitparadies - für Jogger, Radler, Sonnenanbeter und spielende Kinder. Und von Zeit zu Zeit wird die letzte Ruhestätte zum Partyplatz: "Wenn das Wetter schön ist, ist hier schwer was los. Ich habe schon Kindergeburtstage mit viel Tamtam und Zirkus gesehen. Nachts gibt es Partys. Dann finde ich hier Bierflaschen, Schnapspullen, Pizzakartons und Einweggrills", sagt Friedhofsgärtner Safet Jugovic.

Zwar liegt die letzte Beerdigung bereits 68 Jahre zurück, doch entweiht ist der Nordfriedhof nicht. Manch ein Toter hat noch Angehörige, die sich um seine Ruhestätte kümmern. Viele Angehörige fühlen sich von den Friedhofssportlern und Kurzurlaubern zunehmend gestört. Und so führt mancher Gang vom Grab direkt zur Behörde für Gesundheit und Umwelt. Dort sitzt Joachim Lorenz, der zuständige Stadtrat. Bei ihm häufen sich die Beschwerden, nicht nur über den alten Nordfriedhof. Auch auf dem Wald- und dem Ostfriedhof finden Picknicks statt. Stadtrat Lorenz glaubt, den Grund für die neue Nutzung zu kennen: "Alles wird inzwischen in Beschlag genommen, der gesamte öffentliche Raum. Dieses Gefühl, ich muss alles überall machen können, das geht einfach nicht." Beim Nordfriedhof komme hinzu, dass benachbarte Viertel zu den am dichtesten bebauten Gebieten der Stadt gehörten. "Das Zentrum ist unterversorgt mit Parks, deshalb gibt es den Nordfriedhof zur Erholung", sagt er.

Zusammen mit dem Bezirksausschuss startet er jetzt eine Kampagne: Flyer und Infotafeln sollen die Besucher über Verbote aufklären. Er hofft, dass sich das Problem damit lösen lässt. "Wenn das nicht hilft, müssen wir den Friedhof nachts schließen", sagt Lorenz. Doch das wolle er auf jeden Fall vermeiden. dpa

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