Forschung Japan erlaubt Geburt von Mischwesen

Tokio · Forscher der Inselnation möchten einmal menschliche Organe in Tieren heranwachsen lassen und damit Patienten helfen.

 Japanische Forscher dürfen mit der Züchtung von menschlichen Organen in Tieren beginnen. Die Forschung soll eines Tages Menschen helfen, die auf ein Spenderorgan warten. Hier im Bild: ein Rattenembryo.

Japanische Forscher dürfen mit der Züchtung von menschlichen Organen in Tieren beginnen. Die Forschung soll eines Tages Menschen helfen, die auf ein Spenderorgan warten. Hier im Bild: ein Rattenembryo.

Foto: dpa/-

Schon die griechische Mythologie kennt Angst erregende Mischwesen wie Sphinxe, Nixen und Kentauren. Kein Wunder also, wenn Wissenschaftler, die die Grenzen zwischen Mensch und Tier aufweichen wollen, maximale Aufmerksamkeit erhalten.

Der japanische Wissenschaftler Hiromitsu Nakauchi ist dieser Utopie eines Mischwesens einen Schritt näher gekommen. Die Regierung in Tokio hat erstmals Experimente erlaubt, die in ferner Zukunft auf die Geburt tierisch-menschlicher Wesen hinauslaufen könnten, wie die Zeitschrift Nature in ihrer neuesten Ausgabe berichtet. Ziel ist es, in den Tieren menschliche Organe wachsen zu lassen, die später transplantiert werden können. Damit soll Menschen geholfen werden, die vergeblich auf eine Organspende warten. Doch die Erlaubnis bezieht sich zunächst nur auf ein Forschungsprojekt der Universität Tokio. Weltweit wurden bislang nur Versuche mit Embryos aus Mensch- und Tierzellen genehmigt, die nach einige Tagen getötet wurden.

Nakauchi hat also die Genehmigung erhalten, menschliche Stammzellen – also Alleskönnerzellen, die sich in jede Zellart entwickeln können – in Tierembryonen zu injizieren und die Mischwesen künftig zur Welt kommen zu lassen. Gemeint sind etwa Tiere, denen beispielsweise die Anlage für das Organ der Bauchspeicheldrüse fehlt. Die dann implantierten menschlichen Stammzellen sollen diese Lücke füllen und eine menschliche Bauchspeicheldrüse in dem Tier heranreifen lassen, das später zur Transplantation verwendet werden könnte.

Zunächst will die Forschergruppe das Verfahren stufenweise weiter an Mäusen und Ratten testen, zwei nahe verwandten Arten. 2018 hatte Nakauchi eine spezielle Art menschlicher Stammzellen in Schaf-Embryonen verpflanzt; die Zellen waren aber in einem späteren Entwicklungsstadium kaum noch zu finden. Der Wissenschaftler will jetzt andere Stammzellen-Arten verwenden. Sollte das funktionieren, könnten im nächsten Schritt entsprechende Versuche an Schweinen durchgeführt werden. Sie ähneln dem Menschen genetisch und bilden ähnlich große Organe.

Ähnliche Experimente gibt es bereits in verschiedenen Ländern – allerdings durften die Mischwesen überall nur maximal 14 Tage im Muttertier wachsen und mussten dann vernichtet werden. Diese Beschränkung hat das forschungsfreundliche Japan jetzt aufgehoben. Allerdings: Nach Überzeugung von Wissenschaftlern befindet sich Nakauchi weiterhin in einem Stadium der Grundlagenforschung und scheint noch weit entfernt von einer klinischen Anwendung zu sein. Nakauchis Projekt ist das erste, das unter einem neuen japanischen Gesetz von einem Ministeriumsgremium abgesegnet worden sei.

„Es ist sehr heikel, solche Versuche zu machen“, sagte Jens Reich, Mediziner und Molekularbiologe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. „Stammzellen in der Entwicklung sind sehr schwer zu kontrollieren, und es muss ganz sicher sein, dass sie in einer bestimmten Ecke des Organismus, zum Beispiel in der Pankreas (Bauchspeicheldrüse), bleiben.“

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte, dass nach der erfolgreichen Schaffung von Tieren mit menschlichen Organen der Schritt nicht mehr groß sei, auch Menschen mit tierischen Eigenschaften auszustatten. Solche Züchtung von Organen sei zudem nicht nötig, weil die Züchtung von Spenderorganen aus menschlichem Gewebe im Labor bereits weit fortgeschritten und zudem erfolgversprechend sei, sagte Lauterbach.

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