In Irland sind Briefträger auch Detektive

Dublin · Irland hatte bisher keine Postleitzahlen, was mitunter zu abenteuerlichen Anschriften führte. Auch wenn nun jeder einen sogenannten Eircode hat, angefreundet haben sich die Iren mit den Zahlen noch nicht.

Postboten in Irland neigten mitunter zwangsweise zur Detektivarbeit. Vor einigen Wochen landete etwa ein Brief in den Händen eines Angestellten der irischen "An Post" in der nördlichen Grafschaft Donegal, auf dessen Umschlag folgende Adresse stand: "Euer Mann Henderson, dieser Kerl mit der Brille, der seine Doktorarbeit hier an der Queen's Universität in Belfast schreibt. Buncrana, County Donegal, Irland." Vorneweg sei verraten: Die Post aus dem nordirischen Belfast kam tatsächlich beim richtigen Empfänger in der Republik an. Denn die irischen Briefträger sind auf der grünen Insel fast schon berühmt für ihre Orts- und lokalen Bevölkerungskenntnisse, die oft Arbeitgeber, Haarfarben oder Kinderanzahl der Menschen einschließen.

Der Inselstaat verzichtete als einziges Land in der Europäischen Union auf Postleitzahlen, ausgenommen war die Hauptstadt Dublin . Lokale Medien witzelten, es sei "das einzige Industrieland auf diesem Planeten ohne effektives Mittel, eine Adresse zu identifizieren". Nun aber hat Irland aufgeschlossen. Seit diesem Sommer darf sich jeder Einwohner über den Besitz einer Postleitzahl freuen. Das neue System nennt sich Eircode (Eire ist irisch für Irland) und ist freiwillig, löst also nicht die bisherige Adressierung ab, sondern soll als Ergänzung dienen.

Es dürfte eine Weile dauern, bis sich die Iren mit ihren neuen Nummern auskennen. In einer Poststelle im Dorf Cahir in der südlichen Grafschaft Tipperary etwa winkt ein Mann bei der Frage nach seinem Eircode nur ab. "Meine Post kam auch so immer an, warum sollte ich mir nun eine so komplizierte Nummer merken?" So richtig angefreundet haben sich die Iren mit den Codes, die jedem Haushalt - selbstverständlich per Post - zugesendet wurden, noch nicht. Zu teuer sei das System, finden Kritiker, immerhin werden die Kosten für das von der Finanzkrise schwer gebeutelte Irland auf bis zu 38 Millionen Euro geschätzt. Andere halten die Eircodes schlicht für kompliziert.

Der Eintritt Irlands in die postalische Zukunft scheint schwieriger als gedacht. Dabei erfasst das System jede der 2,2 Millionen Adressen genauer als etwa jenes in Deutschland. Der Eircode lokalisiert nicht nur ein Gebiet oder eine Gemeinde, sondern identifiziert jedes Haus einzeln. Einer der Gründe dafür liegt in der bei Touristen so beliebten Idylle der 4,6-Millionen-Einwohner-Insel mit ihren sanften Hügeln und grünen Tälern. Viele Straßen sind so klein, dass ihnen ein Name verwehrt wurde. Manchmal liegen nur ein paar Höfe verlassen in der atemberaubenden Landschaft, ungetaufte Schotterwege führen zu den hausnummernlosen Häusern der O'Sullivans oder McClarys. Doch die Bevölkerung im ländlichen Raum nimmt zu. Viele Adressen sind deshalb nicht mehr einzigartig, sondern haben unterschiedliche Empfänger.

Auch wenn seit Jahren über die Einführung eines Postleitzahlensystems diskutiert wurde, auf eine Logik haben die Verantwortlichen verzichtet, was vor allem bei Rettungsdiensten und Feuerwehr für Irritationen sorgt. Denn der zweite Block des Eircodes, die Kennzeichnung des individuellen Hauses, entstammt einem Zufallsgenerator. Nachbarn besitzen deshalb völlig unterschiedliche Postleitzahlen, sodass bei Noteinsätzen der Ort jedes Mal erneut aus der Datenbank herausgesucht werden muss.

Viele Iren schwören deshalb auf ihr veraltetes, Kreativität förderndes System. In den Brief an Barry Henderson hatte im Übrigen dessen Freund nur eine knappe Mitteilung gesteckt: "Wenn das angekommen ist, wohnst du in einem Dorf", schrieb er. Oder eben in Irland.

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