Keine Christmette in Notre-Dame Im Pariser Wahrzeichen bleibt es am Heiligen Abend dunkel

Paris · Wegen des Großbrands im Frühjahr kann in Notre-Dame zum ersten Mal seit der Französischen Revolution keine Christmette gefeiert werden.

  Notre-Dame bleibt wegen des Brandes im April auch am Weihnachtsfest verwaist: Vor dem Bauzaun hat sich ein Obdachloser niedergelassen.

Notre-Dame bleibt wegen des Brandes im April auch am Weihnachtsfest verwaist: Vor dem Bauzaun hat sich ein Obdachloser niedergelassen.

Foto: dpa/Francois Mori

Die Kirche als Leuchtturm der Hoffnung in bittersten Zeiten: Selbst während der beiden Weltkriege wurde in Notre-Dame Weihnachten gefeiert. Doch nun führte der Großbrand vom Frühjahr dazu, dass in der Kathedrale erstmals in mehr als 200 Jahren keine Christmette stattfindet. In dem einst unübersehbaren, 855 Jahre alten Pariser Wahrzeichen bleibt es in diesem Jahr dunkel. Kirchen und Behörden bemühen sich aber, mit Gottesdiensten, Gesängen und Gebeten den Geist von Notre-Dame im Exil lebendig zu halten. Pfarrer, Liturgie und Weihnachtsfeierlichkeiten wurden für die Dauer des Wiederaufbaus in die nahe gelegene gotische Kirche Saint-Germain l‘Auxerrois verlegt.

Das Feuer vom 15. April hat weite Teile des Dachstuhls und den hölzernen Vierungsturm zerstört, die beiden Haupttürme konnten knapp gerettet werden. „Dies ist das erste Mal seit der Französischen Revolution, dass es keine Mitternachtsmesse (in Notre-Dame) geben wird“, sagt Pfarrer Patrick Chauvet.

Der Weihnachtsgottesdienst im Exil in Saint-Germain l’Auxerrois wird ein historischer Moment sein. „Wir haben die Möglichkeit, die Messe sozusagen außerhalb der Mauern zu feiern“, sagt Chauvet. „Aber mit einigen Indikatoren, dass Notre-Dame mit uns verbunden ist.“

Zu diesen Indikatoren gehört ein hölzerner Ambo, der nach dem Vorbild des Podests von Notre-Dame in Saint-Germain nachgebaut wurde. Zur Mitternachtsmesse am Heiligen Abend werden viele katholische Gläubige erwartet, die normalerweise Notre-Dame besuchen würden.

Auch die berühmte gotische Skulptur der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind hat in dem Ausweichquartier eine vorübergehende neue Heimat gefunden. Das etwa zwei Meter hohe Meisterwerk aus dem 14. Jahrhundert war von der Zerstörung verschont geblieben – wie durch ein Wunder, sagt Chauvet. Ihn tröste die Anwesenheit der Statue, sagt der Pfarrer: „Sie hat in Notre-Dame gelebt. Sie hat die Pilger gesehen, all die 35 000 Besucher am Tag. Sie gibt uns Kraft weiterzumachen.“

Und es gibt einen weiteren Grund zur Hoffnung: Seit November wird nach monatelanger Unterbrechung bei Einbruch der Dunkelheit wieder die Fassade der Kathedrale angestrahlt. An den Feiertagen können Touristen von den Brücken aus abends wieder die berühmten Wasserspeier und Steinstatuen in voller Pracht sehen. Der Vorplatz der Kirche bleibt allerdings weiter gesperrt.

Die Pfarrkirche Saint-Germain l’Auxerrois wurde sowohl wegen der Nähe zu Notre-Dame als auch wegen ihrer prestigeträchtigen Geschichte als Übergangsheim ausgewählt. Sie war einst die bevorzugte Kirche der Könige zu der Zeit, als diese im benachbarten Louvre residierten.

Seit September strömt die Gemeinde der Kathedrale jeden Sonntag nach Saint-Germain. Kirchenvertreter legen aber großen Wert darauf, dass Notre-Dame nur liturgisch umgezogen sei und offizielle Kathedrale von Paris bleibe, solange der physische Sitz des Bischofs, die „Cathedra“, nicht verlegt worden sei.

Umziehen mussten indes nicht nur die Gläubigen, sondern auch die 160 Chorsängerinnen und -sänger von Notre-Dame. Die Christmette war immer ein besonderes Ereignis im Jahr: eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen der ganze Chor zusammen auftrat und die beeindruckende Akustik der Kathedrale voll ausnutzte.

Anstatt sich aufzulösen, teilte sich der Chor mit Mitgliedern im Alter zwischen sechs und 30 Jahren auf. Verschiedene Sektionen geben nun Konzerte in Kirchen, etwa in Saint Eustache und Saint Sulpice in Paris, und über die Stadtgrenzen hinaus. Auch am Heiligen Abend treten die Sängerinnen und Sänger bei verschiedenen weihnachtlichen Anlässen auf, unter anderen auch in Saint-Germain l‘Auxerrois. Von einem Chor im Exil will Henri Chalet, einer der Leiter, aber nichts hören. „Ich verwende lieber den Begriff ,hinter den Mauern’“, sagt er. „Exil“ klingt ausschließlich traurig. Aber es gibt auch viel Hoffnung, weil es nur eine Phase ist.“

Staatspräsident Emmanuel Macron hatte nach dem Brand erklärt, die Kathedrale solle innerhalb von fünf Jahren wieder aufgebaut werden – Experten halten diesen Zeitrahmen  für unrealistisch.

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