Immer unter Strom

Hannover · Vor zehn Jahren wurde einem Patienten aus Sachsen-Anhalt in Hannover eines der ersten Kunstherzen vom Typ „Heartmate II“ implantiert. Das strombetriebene Gerät ermöglicht dem 55-Jährigen Lebensqualität. Ersatzbatterien muss er aber immer dabeihaben.

Wer den Puls von Uwe Schulze fühlen will, sucht vergeblich. Der 55-Jährige hat ein Kunstherz. Das Gerät vom Typ "Heartmate II" ist kein Organersatz, sondern hilft seinem geschwächtem eigenen Herzen, Blut in den Körper zu pumpen und so die Organe mit Sauerstoff zu versorgen. Bereits vor zehn Jahren wurde dem Kaufmann aus Sachsen-Anhalt nach zwei Herzinfarkten die mechanische Pumpe implantiert. "Heute sehe ich sie nicht mehr als Gerät an", betont der Geschäftsführer eines kommunalen Unternehmens. "Es ist mein zweites Herz, es gehört zu mir."

Als Martin Strüber im November 2005 an der Medizinischen Hochschule Hannover Uwe Schulze das Kunstherz einsetzte, hätte sich der Herzchirurg nicht träumen lassen, dass es so lange hält. "Der Mensch lebt quasi ohne Puls. Wir wussten nicht, ob das über Jahre geht", sagt Strüber.

Uwe Schulze gilt als Europa-Rekordhalter dieses Modells, das besonders häufig eingesetzt wird. Ursprünglich wurden die Unterstützungssysteme nur verwendet, um bei Menschen mit Herzinsuffizienz die Zeit bis zu einer Transplantation zu überbrücken. Wegen des Mangels an Spenderorganen werden jedoch mittlerweile bundesweit jährlich rund 1200 Kunstherzen verschiedener Hersteller implantiert. Dagegen wurden 2014 der Deutschen Stiftung Organspende zufolge nur 304 Spenderherzen transplantiert, weit mehr lebensbedrohlich erkrankte Patienten stehen auf der Warteliste. Uwe Schulze ist ein positiv eingestellter Mensch, der vor Energie sprüht. Das "Heartmate II" arbeitet in seiner linken Herzkammer und wird mit Strom betrieben. Ein Elektrokabel führt aus seinem Körper heraus und ist mit der Steuerungselektronik und den Batterien verbunden, die der 55-Jährige am Gürtel trägt. Der Rucksack mit Ersatz-Akkus ist für ihn ebenfalls überlebenswichtig. "Es gibt Einschränkungen, ich würde gerne mal wieder hundert Meter schwimmen", sagt Uwe Schulze. Jedoch darf das Stromkabel nicht mit Wasser in Kontakt kommen. Ansonsten lässt sich der Mann aus der Nähe von Magdeburg nur von wenig abhalten. Er arbeitet mindestens 50 Stunden in der Woche, fährt regelmäßig in den Urlaub und unternimmt kleine Wanderungen. "Es ist noch lange kein Grund, sich vom Strom zu nehmen", sagt er scherzhaft und erzählt vom schönsten Tag seines Lebens - der Hochzeit nach der Herz-OP.

"Die Patienten haben eine sehr hohe Lebensqualität ", sagt Johannes Gehron von der Deutschen Gesellschaft für Kardiotechnik. Allerdings müssen Kunstherzträger dauerhaft Blutverdünner nehmen. "Seit zehn Jahren steht Schulz auf der Warteliste für ein Spenderherz. Solange es ihm noch so gut gehe wie im Moment, wolle er lieber schwerstkranken Patienten den Vortritt bei den Herztransplantationen lassen, sagt der Mann, der so lange ein Kunstherz trägt wie vermutlich kein anderer in Europa.

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