"Ich bekenne mich schuldig"

St. Pölten. Die Sensation hatte niemand mehr erwartet. Als Josef Fritzl (Foto: afp) am dritten Verhandlungstag den Schwurgerichtssaal in St. Pölten betritt, warten alle Anwesenden nur auf das Gutachten der Gerichtspsychologin. Es soll darüber Auskunft geben, ob der Inzest-Täter von Amstetten wirklich schuldfähig ist. Doch dann kommt die Überraschung

St. Pölten. Die Sensation hatte niemand mehr erwartet. Als Josef Fritzl (Foto: afp) am dritten Verhandlungstag den Schwurgerichtssaal in St. Pölten betritt, warten alle Anwesenden nur auf das Gutachten der Gerichtspsychologin. Es soll darüber Auskunft geben, ob der Inzest-Täter von Amstetten wirklich schuldfähig ist. Doch dann kommt die Überraschung. Der 73-jährige Angeklagte will noch einmal eine Aussage machen. "Ich bekenne mich schuldig", sagt er kaum hörbar für die Zuschauer auf der Besuchertribüne: "In allen Punkten", ergänzt er auf die Fragen von Richterin Andrea Humer. Also auch zum Vorwurf des Mordes durch unterlassene Hilfeleistung an seinem Zwillingssohn. Das kranke Kind hatte er nach Meinung der Anklage im April 1996, nur 66 Stunden nach der Geburt, sterben lassen, weil er um die Entdeckung seines furchtbaren Verbrechens fürchtete. Doch hier widerspricht der Mann, den die Medien so oft ein "Monster" genannt haben. "Haben Sie ihn vielleicht sterben lassen, weil sie seinen kleinen Körper leichter beseitigen konnten?", insistiert die Richterin. "Nein", antwortet der Angeklagte noch eine Spur leiser: "Ich weiß nicht, warum ich nicht geholfen habe. Ich war der Hoffnung, dass er's durchsteht. (. . .) Ich war der Meinung, der Kleine wird überleben." "War es also eine Art Ausnahmezustand?", fragt die Richterin. "Und warum der Sinneswandel?" Nun antwortet Fritzl, der seine Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in seinem fensterlosen Verlies gefangen hielt, sie tausendfach vergewaltigte und sie mehrfach schwängerte, mit fester Stimme: "Ich habe gestern ihre Aussage gehört, und ich habe eingesehen, dass ich mich geirrt habe." Josef Fritzl hat mit seinem Schuldbekenntnis alle Beteiligten in diesem Prozess überrascht. Selbst seinen Verteidiger Rudolf Mayer, der an diesem Morgen noch etwas blasser wirkt als sonst. "Ich habe nichts davon gewusst", sagt er später. Aber "als ich hörte, dass er nach der (Video)-Vernehmung (der Tochter Elisabeth) gestern Abend um psychiatrischen Beistand bat, war ich nicht mehr überrascht". Nicht nur die Aussagen Elisabeths, die im Sommer 2008 elf Stunden lang auf Video aufgenommen und ab Montagmittag im Gerichtssaal vorgespielt wurden, könnten den Inzest-Täter erschüttert haben. Ein Zeitungsbericht, wonach das 42-jährige Opfer am Dienstag persönlich im Gerichtssaal anwesend war, um die Vernehmung ihres Vaters und Peinigers zu sehen, wird von offizieller Seite und vom Verteidiger nicht dementiert. "Falls eines der Opfer im Gerichtssaal gesessen ist, bin ich der Meinung, dass das ein Großteil der Erschütterung gewesen ist", glaubt auch Fritzls Verteidiger. Sein Mandant habe das Geständnis auf keinen Fall aus Berechnung gemacht. Schließlich kann er jetzt wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt werden. "Ich glaube nicht, dass er an die Konsequenzen gedacht hat", sagt Rudolf Mayer. Dass Josef Fritzl höchstwahrscheinlich sein ganzes restliches Leben in Unfreiheit verbringen wird, scheint nach dem Schuldbekenntnis und vor allem dem psychologischen Gutachten klar, welches die Gerichtspsychologin Adelheit Kastner nach Fritzls überraschendem Geständnis erläutert. Sie konstatierte, dass Fritzl an keiner Krankheit leide, die seine Schuldfähigkeit in irgendeiner Weise beeinträchtige. Nach einer möglichen Haftentlassung sei mit weiterer Gewalt in Form von Drohungen rechnen.

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