Istanbul Gefährliche Schlankheits-Kur – Hunderte Patienten mit Botox vergiftet

Istanbul · Bei Magenbehandlungen mit Botox in Kliniken in Istanbul und Izmir wurden Patienten schwer geschädigt. Auch Deutsche sind unter den Betroffenen.

 Das türkische Gesundheitsministerium ermittelt gegen Kliniken, die Patienten mit Botox zum Abnehmen vergiftet haben sollen. Unter den Betroffenen sind auch Deutsche.

Das türkische Gesundheitsministerium ermittelt gegen Kliniken, die Patienten mit Botox zum Abnehmen vergiftet haben sollen. Unter den Betroffenen sind auch Deutsche.

Foto: dpa/Franziska Kraufmann

„Stoppen Sie Ihren Appetit mit Magen-Botox“, rät die Privatklinik Gisbir in Tuzla bei Istanbul. Das Krankenhaus wirbt um türkische und ausländische Patienten, die sich für Schönheitsoperationen interessieren – auch Magenbehandlungen mit Botox zum Abnehmen gehören zum Angebot. Das türkische Gesundheitsministerium wirft der Klinik jetzt vor, Patienten mit Botox vergiftet zu haben. Auch gegen eine Klinik im westtürkischen Izmir wird ermittelt. Insgesamt wurden seit Ende Februar laut türkischen Medienberichten rund 250 Menschen vergiftet, darunter auch Deutsche.

Bekannt ist das Nervengift Botox vor allem als Mittel gegen Falten. Bei der Behandlung von Übergewicht wird es in die Magenwand eines Patienten gespritzt. Dadurch soll der Magen langsamer arbeiten. „Botox-Patienten werden später hungrig, essen kleinere Portionen und fühlen sich früher satt“, verspricht die Gisbir-Klinik auf ihrer Website.

Doch Patienten, die sich in der Klinik oder im Privatkrankenhaus Bati Anadolu Tip Merkezi in Izmir behandeln ließen, klagten anschließend über Lähmungserscheinungen. Einige wurden ohnmächtig. Die 32-jährige Hamburgerin Suzan Akgül sagte der türkischen Nachrichtenagentur DHA, drei Tage nach der Behandlung hätten bei ihr Sehstörungen begonnen. Anschließend seien Atem- und Schluckbeschwerden dazugekommen. „Ich bin 32 Jahre alt, aber ich fühle mich wie 82“, sagte sie.

Der türkische Ärzteverband Klimik erklärte, es handele sich um Fälle von Botulismus, einer potenziell tödlichen Krankheit. Sie kann demnach bei der Behandlung mit Botox ausgelöst werden, wenn das Nervengift ins Muskelgewebe außerhalb des Magens eindringt. Weil auch die Atemmuskulatur betroffen sein kann, besteht Lebensgefahr. Als Ursache für die Vergiftungen komme eine Überdosierung in Betracht, nimmt der Verband Klimik an. Das türkische Gesundheitsministerium teilte mit, die in den beiden Kliniken verwendeten Präparate seien nicht für den Einsatz bei der Magen-Botox-Behandlung gedacht gewesen. Minister Fahrettin Koca ließ die zuständigen Abteilungen in den beiden Krankenhäusern schließen.

Die Klinik in Izmir wies den Vorwurf zurück, sie sei für die Vergiftungen verantwortlich. Ein externer Arzt habe die Patienten lediglich für eine Magenuntersuchung angemeldet, erklärte das Krankenhaus. Von der Botox-Behandlung habe die Klinik nichts gewusst. Die Klinikleitung gehe jetzt juristisch gegen den Mediziner vor.

In Deutschland wurden nach Angaben des Robert-Koch-Institutes bisher neun Fälle festgestellt. Alle Patienten hätten gemeinsam, dass sie sich Ende Februar in der Türkei der Magen-Behandlung mit Botox unterzogen hätten, erklärte das Institut. Möglicherweise gebe es noch mehr Fälle in der Bundesrepublik.

Ein türkischer Anwalt berichtete von mindestens 157 Betroffenen allein in Istanbul. Die Gesamtzahl liegt nach türkischen Medienberichten bei etwa 250. Mustafa Taskin, Vorsitzender eines türkischen Ärzteverbandes von Übergewichts-Spezialisten, sagte DHA, mancherorts würden hohe Botox-Dosen eingesetzt, um eine schnelle Wirkung zu erzielen. Das Gesundheitsministerium habe die Menge von Botox pro Klinik zwar mit Obergrenzen gedeckelt, doch würden diese Quoten von einigen Kliniken umgangen. Sie kauften illegal Botox hinzu, um möglichst viele Patienten behandeln zu können. Laut türkischen Medien kritisieren einige Ärzte, die Regierung gehe zu spät gegen die Magen-Botox-Behandlungen vor.

In der Türkei hat sich in den vergangenen Jahren ein florierender Gesundheitssektor entwickelt, der sich auch auf kosmetische Behandlungen wie Haartransplantationen spezialisiert hat. Die Branche profitiert von der guten Ausbildung türkischer Ärzte bei relativ niedrigen Kosten. Der Gesundheitstourismus ist zu einer wichtigen Einnahmequelle für das Land geworden. Mehr als 600 000 ausländische Patienten besuchen die Türkei im Jahr und geben mehr als eine Milliarde Dollar für medizinische Behandlungen aus. Die meisten Interessenten kommen aus Europa, denn für sie ist die Türkei wesentlich näher als andere Länder mit ähnlichen Angeboten wie Indien, Thailand oder Malaysia.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort