Henkersmahlzeit war schon bestellt
Washington · Mehr als 22 Jahre lang saß Debra Milke in den USA in der Todeszelle – sie soll zwei Männer zum Mord an ihrem Sohn angestiftet haben. Nun ist die gebürtige Berlinerin auf Kaution frei. Es gibt Zweifel an ihrer Schuld.
Fast ein Vierteljahrhundert saß Debra Milke in der Wüste des US-Staates Arizona hinter Gittern - und wartete auf ihre Hinrichtung. Die gebürtige Berlinerin war zum Tode verurteilt worden, weil sie zwei Männer angestiftet haben soll, ihren vierjährigen Sohn zu ermorden. Die Vorbereitung auf ihre Exekution samt Probelauf hatte sie schon hinter sich, ihre Henkersmahlzeit war bereits ausgesucht. Doch alles kam anders. Die 49-Jährige ist frei, wenn auch nur auf Kaution. In der Nacht zu Freitag entschied Richterin Rosa Mroz im Bezirk Maricopa County, dass die Beweise gegen Milke nicht ausreichen. "Die Wahrscheinlichkeit ist nicht groß genug, dass die Angeklagte die ihr zur Last gelegten Verbrechen begangen hat", lauten die möglicherweise erlösenden Worte für Milke. "Ich bin davon so überwältigt, ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll", habe sie ihrem Anwalt Mike Kimerer nach der Entscheidung verblüfft gesagt, berichtete die Lokalzeitung "The Arizona Republic". Geweint vor Freude habe sie, geradezu ekstatisch sei sie gewesen.
Es ist eine spektakuläre Kehrtwende in einem Fall, der besonders in Deutschland große Beachtung erfährt. Hier wurde Milke geboren, am 10. März 1964 als Tochter einer Deutschen und eines amerikanischen Luftwaffensoldaten in Berlin. In den 70er Jahren kam sie nach Arizona. Dort trennten sich ihre Eltern, Debra blieb bei der Mutter. Diese zog später zurück nach Deutschland. Milke selbst ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes keine deutsche Staatsbürgerin.
Das Drama begann am 2. Dezember 1989. Damals setzte Milke ihren Sohn Christopher zu einem Mitbewohner und dessen Freund ins Auto. Sie sollten in ein Einkaufszentrum fahren, um den Weihnachtsmann zu besuchen. Stattdessen streckten die beiden das Kind an einem trockenen Flusslauf in der Wüste mit drei Schüssen in den Hinterkopf nieder. Dann meldeten sie den Jungen als vermisst. Die beiden Männer bestritten die Tat nicht und wurden dafür zum Tode verurteilt. Einer der Männer erklärte allerdings, dass die Mutter sie angestiftet und ihnen Geld versprochen habe. Christopher habe sie zu sehr an ihren verhassten Ex-Mann erinnert.
Die Richterin zog diesen Hergang nun in Zweifel. Bis zum Beginn eines erneuten Prozesses ist Milke frei. Die Kautionsauflagen sind streng: 250 000 Dollar (rund 190 000 Euro) muss sie hinterlegen - als Versicherung, dass sie nicht untertaucht. Freunde helfen ihr, die Summe aufzubringen, heißt es. Zudem wird Milke ein Gerät tragen müssen, mit dem sie geortet werden kann. Auch gilt für sie zu gewissen Zeiten des Tages eine Ausgangssperre. Die neue Freiheit ist also deutlich eingeschränkt - denn Milke ist nach wie vor eine Verdächtige in dem grausamen Mordfall. Der Prozess wird wohl bald neu aufgerollt.
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HintergrundWeltweit wird die Todesstrafe nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International noch in 58 Ländern vollstreckt, darunter neben China, Saudi-Arabien oder Nordkorea auch die USA. In 32 der 50 US-Bundesstaaten sehen Gesetze die Todesstrafe für schwere Verbrechen vor. Seit der Oberste Gerichtshof die Strafe 1976 wieder zugelassen hat, wurden nach aktuellen Angaben des US-Death Penalty Information Centers (DPIC) in den Vereinigten Staaten 1343 Todesurteile vollstreckt, in 13 Fällen handelte es sich um Frauen. dpa