Country-Star Punk, Prolet, Macho: Gunter Gabriel wird 75

Hamburg · Seine größten Erfolge hatte Sänger Gunter Gabriel in den 1970er Jahren. Danach geriet er häufig mit Eskapaden in die Schlagzeilen.

() „Guckt mal, wie ich hier wohne – und findet es großartig“, sagt Gunter Gabriel. Sein Hausboot im Binnenhafen von Hamburg-Harburg ist vollgestopft. Nicht mit Luxusgegenständen, die sich der Schlager- und Countrysänger dank seiner Hits zugelegt haben könnte. Aber mit Erinnerungen und Träumen, die in Zeitungsausschnitten, Bildern, Büchern, Platten, Postern präsent sind und in seinen vielen Geschichten, die er gern erzählt, wieder lebendig werden. 75 Jahre alt wird Gabriel an diesem Sonntag (11. Juni) und „mindestens 20 Jahre“ will er noch leben.

„Aber dafür muss ich was tun“, sagt er. „Im Moment muss ich an meinen Körper denken, daran, dass ich wieder gesund werde. Ich merke, dass ich schnell abbaue.“ Es ist ein sonniger und für Hamburg ziemlich heißer Frühlingstag, als Gabriel in der Küche seines Bootes sitzt und sich an die noch viel heißeren Tage im australischen Dschungelcamp im Januar vergangenen Jahres erinnert. Nach fünf Tagen verließ er die RTL-Show vorzeitig, lag danach wegen eines Schwächeanfalls im Krankenhaus – das waren die letzten Schlagzeilen.

Als Dschungelcamp-Bewohner mit Toupet und ohne Hemmungen sahen ihn junge TV-Zuschauer damals vielleicht überhaupt zum ersten Mal. Ältere kannten ihn bereits als Musiker, der mit Eskapaden und Schulden, mit Pöbeleien und zotigen Bemerkungen Stoff für Boulevardberichte in den Medien lieferte. Und noch Ältere hatten seine Hits im Ohr, mit denen er es in den 70er Jahren in die Charts geschafft hatte. Mit „Er ist ein Kerl (Der 30-Tonner Diesel)“ fing 1973 alles an, Lieder wie „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“ landeten in den Top 10.

Der aus Westfalen stammende gelernte Maschinenschlosser Günther Caspelherr, der durch seine Frau Gabriele zu seinem Künstlernamen kam, stach heraus aus der damaligen Schlagerszene. Er war zum Fernfahrer-Idol, zum Malocher-Musiker geworden. „Ein bisschen Macho, ein bisschen Punk, ein bisschen Proll“ – so sieht er sich.

Gabriel kennt die große Show und er kennt den Absturz. Neue Hits blieben aus, seine Ehen zerbrachen, bei Immobiliengeschäften verspekulierte er sich und verlor Millionen. Alkohol und Affären und ein Leben auf der Autobahn – jahrelang war er auf der Straße zu Hause. Gestrauchelt, aber nicht gescheitert: 2009 kehrte er ins Rampenlicht zurück, als „Sohn aus dem Volk“ mit dem gleichnamigen Album.

Jetzt ist es wieder ruhiger geworden um den Mann mit der markanten tiefen Stimme. Der Raum auf seinem Hausboot, in dem er viele Papiere aufbewahrt, sieht nach einem wilden Durcheinander aus. Aber seine Tagebuchsammlungen hat Gabriel ebenso schnell zur Hand wie Auszüge zu Schulden, die er noch abzahlen muss. Neben dem großen Tisch in seiner Wohnküche stapeln sich Bücher. „Senecas ‚Vom glücklichen Leben’ – das lese ich, nicht jeden Tag, aber ich blättere immer wieder mal darin“, erzählt er und greift zu zwei weiteren Büchern, eines über die Geschichte des Rock‘n‘Roll, das andere: „Armut in einem reichen Land“.

Es sind auch die Themen, über die er selbst schon oft und offen gesprochen hat: das Glück und Pech in seinem Leben, die Achterbahnfahrt seiner Musikkarriere und seine finanziellen Probleme. Noch lieber aber redet er über Frauen. „Frauen sind das Wichtigste, das es gibt im Leben“, sagt er. „Ich möchte ohne Frau nicht leben, aber ich kann es.“ Vier erwachsene Kinder hat Gabriel. An seinem Geburtstag werde er aber keines von ihnen sehen. Dieser Tag sei für ihn einer wie jeder andere.

Nicht glücklich, sondern beglückt, beschreibt sich Gabriel, der sich auch gern „Pflegelfall“ nennt und selbst die eigenen Fans bei Auftritten mit ungehobelten Sprüchen schocken kann. Vorrangig wolle er sich nun um seine Gesundheit kümmern. Wenn ihm ein Arzt sage, er habe bestimmte Probleme, weil er ein alter Mann sei, fordere ihn das geradezu heraus. „Ich bin ein Lösungsmann, kein Jammermann. Ich löse Probleme.“

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