Kritik an neuem Prostitutionsgesetz Großer Wirbel um den „Hurenpass“

Hamburg · Ein neues Gesetz soll ab sofort Prostituierte vor Ausbeutung und Zwang schützen. Doch auf der Reeperbahn, der sündigen Meile Hamburgs, sind Betroffene alles andere als begeistert von den Änderungen.

 Die Domina „Lady Jana“ betreibt in Hamburg ein Studio. Sie steht den gesetzlichen Veränderungen zum Schutz von Prostituierten skeptisch gegenüber.

Die Domina „Lady Jana“ betreibt in Hamburg ein Studio. Sie steht den gesetzlichen Veränderungen zum Schutz von Prostituierten skeptisch gegenüber.

Foto: dpa/Axel Heimken

(dpa) Leila, 26, verdient ihr Geld als Prostituierte in einem Bordell nahe der Hamburger Reeperbahn, einem der bekanntesten Rotlichtviertel der Welt. „Ich finde es zwar gut, dass wir stärker geschützt werden sollen, aber die neuen Regelungen bewirken genau das Gegenteil“, sagt sie. Denn das „horizontale Gewerbe“ ist in Aufruhr. Leila hält nicht viel von dem neuen Gesetz, das Prostituierte ab sofort besser vor Ausbeutung und Zwang schützen soll. „Ich habe in Deutschland keine Meldeadresse, also kann ich mich auch gar nicht bei der Behörde registrieren“, sagt die Bulgarin. So wie ihr gehe es vielen Frauen in dem Gewerbe. „Wenn wir ohne den Anmeldeschein erwischt werden, drohen uns Bußgelder. Das macht uns Angst.“ Die Bußgelder müssten sie wieder abarbeiten. Sie überlege daher, in einen abgelegeneren Stadtteil abzuwandern, sagt Leila.

In der Branche sehen viele das neue Prostitutionsschutzgesetz, das ab sofort bundesweit gültig ist, mit Skepsis. Dabei scheinen die Ziele des Bundesfamilienministeriums sinnvoll. Das Ministerium nennt die Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung sowie den Schutz vor Zwangsprostitution und Ausbeutung. Dazu sieht das Gesetz unter anderem eine Meldepflicht für Sex-Arbeiterinnen vor. Die Anmeldebescheinigung, die regelmäßig verlängert werden muss und mit Namen, Meldeadresse und einem Foto versehen sein soll, müssen die Prostituierten allerdings mit sich führen – und damit ihre Anonymität aufgeben. In der Szene wird die Bescheinigung deshalb nur „Hurenpass“ genannt. Zudem werden die Frauen verpflichtet, regelmäßige gesundheitliche Beratungsgespräche wahrzunehmen.

Der Verein Doña Carmen, der sich für die Rechte von Prostituierten einsetzt, hat in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz eingereicht. Sex-Arbeiterinnen würden „einem System entwürdigender Kontrollen unterworfen“ und ihrer „Grundrechte beraubt“, kritisiert der Verein.

„Lady Jana“, die ein Dominastudio betreibt, erzählt, es sei „ein Schock“ für sie gewesen, als sie von den geplanten Regelungen erfahren habe. Obwohl die zweifache Mutter, wie bei Dominas üblich, keinen Geschlechtsverkehr mit ihren Gästen hat, muss sie trotzdem künftig regelmäßig zur vorgeschriebenen Gesundheitsberatung. „Das ist diskriminierend“, findet sie. Zudem kämen auch baurechtliche Vorschriften auf sie zu, etwa die Vorgabe nach getrennten Toiletten für Gäste und Studiobetreiber.

Kritik gibt es auch von der Fachberatungsstelle „Sperrgebiet“. Zwangsprostitution werde durch das neue Gesetz kaum verhindert, sagt Projektleiterin Julia Buntenbach-Henke. „Die Frauen brauchen oft sehr lange, um das Thema anzusprechen.“ Im Rahmen des vom Gesetzgeber vorgesehenen Informations- und Beratungsgesprächs herauszufinden, ob eine Frau Opfer von Menschenhandel ist, sei nicht besonders plausibel.

„Wir wissen, dass viele Prostituierte noch immer eine Offenlegung ihrer Tätigkeit gegenüber Behörden scheuen, weil sie eine gesellschaftliche Ausgrenzung befürchten“, sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde. Die Stadt habe sich daher auch im Gesetzgebungsverfahren gegen die Einführung dieser Anmeldepflicht eingesetzt. Die verpflichtende Gesundheitsberatung wird es ab Oktober aber auch in Hamburg geben.

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