Getrieben und aufgespießt

Pamplona · Wie jedes Jahr werden in der Hauptstadt der spanischen Region Navarra von heute an wieder Stiere durch die Stadt getrieben und anschließend getötet. Zum Auftakt des Volksfestes gab es heftige Proteste.

Spaniens verrücktestes Stier-Spektakel, das umstrittene San-Fermín-Fest, startet heute mit dem Bullentreiben durch die Altstadt Pamplonas. Mehrere tausend Menschen werden morgens vor den Hörnern von sechs Kampfstieren durch die engen Gassen um ihr Leben rennen. Jedes Jahr gibt es bei diesen Stiertreiben, die acht Tage lang auf einer abgesperrten Strecke von 875 Metern stattfinden, viele Verletzte und manchmal auch Tote. Am Abend werden die Stiere in der Arena von Toreros getötet. Im vergangenen Jahr wurden laut Rotem Kreuz mehr als 500 Menschen bei dem Fest zu Ehren des Stadtheiligen San Fermín verletzt. Zehn Läufer wurden von den bis zu 80 Zentimeter langen Hörnern aufgespießt, überlebten aber. Die meisten Verletzten kommen mit leichteren Verletzungen wie blauen Flecken, Knochenbrüchen, Platzwunden oder Prellungen davon.

Seit 1924, als Chronisten begannen, die Zahl der Opfer zu dokumentieren, wurden während der Stiertreiben allein in Pamplona mindestens 15 Menschen getötet. Die jahrhundertealte Tradition der Stierhatz wird in tausenden spanischen Dörfern gepflegt. Allein im Jahr 2015 wurden dabei im ganzen Land mindestens zwölf Menschen von Stieren tödlich verletzt.

Mit einer Feuerwerksrakete, die vom Rathausbalkon in den Himmel stieg, wurde am gestrigen Mittwoch das umstrittene Volksfest eröffnet. "Es lebe San Fermín", riefen zehntausende von Menschen, die sich auf dem Rathausplatz versammelt hatten. Sobald die Böllerrakete ("chupinazo") mit einem lauten Knall explodiert, knoten sich die Menschen rote Tücher um den Hals. Die Halstücher schmücken die traditionelle weiße Kleidung der "mozos", wie die Anhänger des "San-Fermín"-Festes heißen. Am Vortag hatten vorm Rathaus noch Tierschützer aus ganz Europa unter dem Motto "Pamplona badet im Blut" gegen die "Folter der Stiere" protestiert. "Die Kultur hört da auf, wo Grausamkeit beginnt", sagte Martina Szyszka, deutsche Sprecherin der internationalen Plattform La Tortura No Es Cultura (Tierquälerei ist keine Kultur). Die Plattform hat ein Video unter dem Titel "Das Blut rennt mit dir" veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie die Bullen in der Arena qualvoll umkommen. Aída Gascón von der spanischen Anti-Stierkampf-Bewegung Anima Naturalis wies darauf hin, dass in Spanien immer mehr Regionen Stierkämpfe verbieten. Auf den Kanaren, in Katalonien und auf Mallorca dürfen keine "corridas" mehr stattfinden. Das EU-Parlament habe zudem die Kommission aufgefordert, die millionenschweren Subventionen für die Kampfstierzucht zu streichen.

Die Proteste bleiben auch in Pamplona nicht ohne Eindruck: Bürgermeister Joseba Asiron räumte nun ein, dass die Stadt "früher oder später" darüber debattieren müsse, ob es im 21. Jahrhundert noch angemessen sei, "ein Fest zu organisieren, in dem Lebewesen leiden".

Meinung:

Tierquälerei ist keine Kultur

Von SZ-Redaktionsmitglied Fatima Abbas

Tiere zu quälen ist keine Kultur. Eigentlich selbstverständlich, aber im Spanien des 21. Jahrhunderts noch nicht überall angekommen. Dort, wo der Matador noch als Inbegriff der Männlichkeit gilt. Und dort, wo sich Touristen, denen Alkohol nicht Kick genug ist, von einer Bullenherde durch die Stadt treiben lassen. Nein, das ist keine Fiesta, das ist tiefstes Mittelalter. Pamplona sollte sich endlich ein Beispiel an Städten wie Barcelona nehmen. Dass der Bürgermeister im Jahr 2016 ankündigt, "früher oder später" mal eine Debatte führen zu wollen und zugleich einräumt, dass "Lebewesen leiden", ist zynisch. Wenn er schon nicht den Tieren zuliebe handelt, dann wenigstens im Sinne jener Spanier, die bei dieser Untradition immer wieder zu Tode kommen.

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