Geld futsch, Anlageberater entführt

Traunstein. Es war keine Entführung, sondern eine Einladung "für ein paar Tage Urlaub in Oberbayern". Seine ganz eigene Version von der Tat im Juni 2009 lieferte der Hauptangeklagte zu Prozessbeginn dem Landgericht Traunstein

Traunstein. Es war keine Entführung, sondern eine Einladung "für ein paar Tage Urlaub in Oberbayern". Seine ganz eigene Version von der Tat im Juni 2009 lieferte der Hauptangeklagte zu Prozessbeginn dem Landgericht Traunstein. Demnach wurde der Anlageberater (Foto: dpa) nicht mit Gewalt von Speyer nach Chieming gebracht, sondern "als unser Gast zu uns nach Hause eingeladen".

Seit Montag müssen sich zwei Rentner-Ehepaare aus Oberbayern und ein Komplize vor der 2. Strafkammer wegen Geiselnahme verantworten. Einer der beiden Ehemänner ist wegen einer Erkrankung derzeit allerdings nicht verhandlungsfähig.

Den Angeklagten im Alter zwischen 60 und 79 Jahren wird vorgeworfen, ihren Finanzberater entführt und im Keller tagelang als Geisel genommen zu haben. Der 57-Jährige sollte so zur Rückzahlung von zusammen rund 2,4 Millionen Euro verlorener Geldanlagen gezwungen werden. Nach drei Tagen in der Gewalt der Senioren wurde das Opfer von einem Sondereinsatzkommando der Polizei befreit.

Der Vorsitzende Richter hat große Mühe, den Redefluss des 74 Jahre alten Hauptangeklagten für Fragen zu stoppen. Unaufhörlich und bis ins kleinste Detail schildert der Ex-Bau-Unternehmer, wie sich in den ersten Jahren die in den USA angelegten Dollar vermehrten. Zwölf Prozent Zinsen brachte die Anlage. "Die Zinszahlungen erfolgten pünktlichst", berichtet der Angeklagte. Doch Ende 2007 dreht der Finanzberater den Geldhahn plötzlich zu. Die US-Immobilienkrise schlägt zu. Es beginnt ein Kleinkrieg um die Rückzahlung der angelegten Millionen.

Nach mehreren erfolglosen Treffen mit dem inzwischen in Speyer lebenden Anlageberater entschließt sich der um sein Erspartes gebrachte Rentner, das Geld in einem "Finalgespräch" einzutreiben.

Zusammen mit dem 60 Jahre alten Komplizen fährt er mit dem festen Vorsatz nach Rheinland-Pfalz, den Finanzberater notfalls im heimischen Chieming zur Zahlung zu zwingen. "Bitte zücken Sie Ihr Scheckbuch und zahlen Sie mich aus", will er zu dem Berater gesagt haben.

Als der zum Tatzeitpunkt 56 Jahre alte Mann noch immer nicht mit sich reden lässt, wird er nach der Schilderung des Hauptangeklagten in der Wohnung mit sanfter Gewalt in eine Kiste gesteckt und mit einer Sackkarre in den Kofferraum verfrachtet. "Ist er freiwillig eingestiegen in die Kiste?", fragt der Vorsitzende Richter sarkastisch, und der Angeklagte antwortet ernst, dass das Opfer sich nicht gewehrt habe. "Er hat nur gegrinst."

Den Kofferraum will er mit einem "Luftpolsterfolienbett" ausgeschlagen haben. "Ich habe noch ein Schaumstoffkissen untergelegt, damit er bequem liegt", tischt der Angeklagte dem Gericht auf. Einen Fluchtversuch des Opfers während einer Rast mit Hilfe eines im Kofferraum liegenden Brecheisens wandelt der Angeklagte bei seiner Aussage zum gegen ihn gerichteten Mordanschlag um. Mit schauspielerischer Begabung führt er dem Vorsitzenden Richter gar vor, wie der 56-Jährige das Eisen gegen ihn richtete.

Das Verlies im Keller des Chieminger Anwesens beschreibt der 74-Jährige als "Notgästezimmer" samt Nasszelle. Auch sei man an jenem Juni-Tag 2009 - inzwischen ist auch das befreundete Arzt-Ehepaar aus Schliersee am Chiemsee eingetroffen - nicht zu Gericht gesessen, sondern habe samt dem Anlageberater in gemütlicher Runde auf der Terrasse Kaffee getrunken.

Für den Prozess am Traunsteiner Landgericht sind sechs Verhandlungstage angesetzt. Die Urteile sollen am 23. März gesprochen werden.

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