Fünf-Sterne-Küche am Grill

Schweinfurt · Experten sprechen vom Reiz des Archaischen: Im Sommer wirft die Nation den Grill an. Doch die Kochkultur am Rost hat sich verändert. Und auch die Vorherrschaft des Mannes an der Grillzange bröckelt ein wenig.

Die Bratwurst auf den Rost und einmal wenden - damit ist es für viele Grillfreunde nicht mehr getan. Die Szene hat sich professionalisiert. "Das ist eine Fünf-Sterne-Küche geworden", sagt der Präsident der German Barbecue Association (GBA), Andreas Huberti. Besonders raffinierte Varianten lassen sich alljährlich bei der Deutschen Grill- und BBQ-Meisterschaft bewundern, die am Wochenende in Schweinfurt stattfand. Annäherungen an ein Sommer-Phänomen: Grillnation: Grillen ist Kult. Zwei Drittel der Deutschen essen laut einer Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov mindestens ab und zu Bratwurst und Co vom Rost, 30 Prozent sogar regelmäßig oder sehr oft. "Das ist absolut massentauglich", sagt der Freizeitforscher Ulrich Reinhardt von der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen. Männersache: Die Grillzange ist d as Zepter des Mannes, wie auch GBA-Präsident Huberti bestätigt. Er sieht die Herrschaft über den Rost sogar als "Emanzipation des Mannes im Zubereitungsbereich". Allerdings: Während immer mehr Männer kochen, habe sich umgekehrt auch das Grillen für Frauen geöffnet. Neue Vielfalt: Die Klassiker Steak und Bratwurst sind zwar weiter das A und O der meisten Grillpartys, aber längst geht es auch ausgeklügelter zu. "Das ist nicht mehr die klassische Geschichte: Frau macht den Salat, Mann verbrennt das Fleisch", betont Huberti. Eine wachsende Szene begeisterter Griller experimentiert mit neuen Gerichten - Austern, Foie gras oder sogar Fruchtstrudel. "Es ist raffinierter geworden in dem Sinne, dass man mehr ausprobiert", sagt Rezeptbuch-Autor Rudolf Jaeger. Allerdings: "Ein Großteil der Leute in Deutschland grillt noch wie vor 20 Jahren", meint er. Die Klassiker Salat, Brot und Soßen führen laut YouGov denn auch die Hitliste der Beilagen an. Fleischeslust: Herkunft und Qualität werden wichtiger - da fügt sich die Grillszene in allgemeine Trends zu einer bewussteren Auswahl von Nahrungsmitteln ein. Veggie-Grillen: Zwar gibt es inzwischen viele fleischlose Rezepte für den Grill - laut der Umfrage liegen Gemüse (7 Prozent) und Tofu-Produkte (4 Prozent) aber nur bei wenigen in der Brutzel-Gunst vorn. Statussymbol: Die Grillszene hat aufgerüstet. Der Grill sei ein Statussymbol, so Reinhardt. "Wer nur noch einen einfachen Kugelgrill hat, wird ja fast schon belächelt. Da muss es schon so eine Art Multifunktions-Outdoor-Küche sein." Das geht ins Geld, die Oberklasse kostet mehrere Tausend Euro. Glaubens- oder Kostenfrage: Für die meisten Deutschen gehört zum Grillen der Geruch brennender Holzkohle. 70 Prozent bevorzugen laut YouGov einen Kohlegrill, 18 Prozent Elek trogrills, nur neun Prozent einen Gasgrill. Archaischer Reiz: Manche bezeichnen das Grillen als eine Lebenseinstellung. Den Reiz vermutet Autor Jaeger in "diesem Archaischen": "Mann, Feuer, Eisen. Das spricht gerade in dieser hoch technisierten Zeit jeden an."

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