Das Bahnhofsviertel der Mainmetropole Frankfurts zäher Kampf gegen Drogen

Frankfurt/Main · Als quirlig und liebenswert bezeichnet die Stadt ihr Bahnhofsviertel. Positive Veränderungen gibt es in der Tat viele – doch längst noch nicht überall.

 Drogensüchtige sitzen nachts im Frankfurter Bahnhofsviertel in einem Hauseingang, ein weiterer Abhängiger läuft vorbei. Die offene Drogenszene wird für Anwohner und Geschäftsbetreiber zunehmend zu einem Problem.

Drogensüchtige sitzen nachts im Frankfurter Bahnhofsviertel in einem Hauseingang, ein weiterer Abhängiger läuft vorbei. Die offene Drogenszene wird für Anwohner und Geschäftsbetreiber zunehmend zu einem Problem.

Foto: dpa/Boris Roessler

Mit geschwungenen Buchstaben hat sich Chantal einen Schriftzug unter das Schlüsselbein tätowieren lassen. „Liebe mich so, wie ich bin“ steht da auf Englisch. Die 26-Jährige arbeitet in der Table-Dance-Bar „Pure Platinum“ im Frankfurter Bahnhofsviertel. Dort tanzt sie mit ihren hochhackigen Plateau-Schuhen um eine der beiden Stangen in der Mitte des großen, rot beleuchteten Raumes. „Manche Gäste kommen immer wieder“, sagt Chantal. Sie stamme aus Rumänien und mit dem Geld, das sie in dem Strip-Club verdient, unterstütze sie ihre Familie zu Hause. Sex ist in dem Club in der Taunusstraße nicht gestattet. Auch nicht Anfassen, nicht einmal Küssen. „Wir verkaufen hier Getränke und Illusionen“, sagt Betriebsleiter Norman Weber. Viele der insgesamt rund 50 Tänzerinnen seien verheiratet und hätten Kinder, manche arbeiteten tagsüber in ganz normalen Berufen wie etwa als Krankenschwester.

Der Rotlicht-Bezirk macht das Bahnhofsviertel zum berüchtigtsten Stadtteil Frankfurts. Die Stadt betont, dass sich in den vergangenen Jahren vieles zum Besseren gewandelt habe, viele der Straßen sicherer seien, sich schicke Bars und coole Clubs sowie Kreative angesiedelt hätten und nach Sanierungen viele, auch exquisite Wohnungen, Läden und Büros entstanden seien. Doch es gibt nach wie vor viele Probleme. Dazu zählt Weber vom „Pure Platinum“ die Drogenproblematik. Laufkundschaft gebe es so gut wie gar nicht mehr, angesichts von Dutzenden am Rand der Bürgersteige liegenden oder sitzenden Junkies, die sich offen Heroin spritzen oder Crack rauchen. „Katastrophal“ sei die Situation.

Ortswechsel: Ein Bordell nur wenige hundert Meter weiter. Mit einem lauten Knall lässt dort Vanessa den Rohrstock auf die Liege in ihrem Zimmer klatschen. Aber nur zur Demonstration ihrer Tätigkeit, die sie hinter verschlossenen Türen ausübt. Sie arbeitet als Domina. Zufrieden mit dem Verlauf ihres Geschäfts ist sie nicht. Nach Abzug der Miete, die sie für ein Zimmer in dem Laufhaus in der Taunusstraße bezahlen müssten, bleibe oft nicht viel übrig – wenn sie die Summe überhaupt zusammenbekämen. 140 Euro sind es für 24 Stunden, das Finanzamt erhält 15 Euro davon. „Die Kunden wollen den Frauen fast gar nichts mehr bezahlen“, berichtet Vanessa.

Im „Pure Platinum“, das im Keller eines Laufhauses liegt, läuft das Hauptgeschäft am Wochenende mit Junggesellenabschieden. Die Bar bietet den Gästen einen Limousinen-Service an, der sie direkt zum bewachten Eingang fährt – so müssten sie nicht vorbei an den Drogenabhängigen auf den Bürgersteigen. 

Die Drogenpolitik, die neben Repression auch Hilfe für die Abhängigen wie sogenannte Druckräume mit der Möglichkeit zum legalen und hygienischen Drogenkonsum vorsieht, sei gescheitert. „Das ist nicht der Frankfurter Weg, sondern ein Frankfurter Witz“, sagt Weber.

Um die Drogen- und Straßenkriminalität im Viertel einzudämmen, wurde eine eigene Polizeieinheit abgestellt. Die „Regionale Einsatz- und Ermittlungseinheit“ (REE) ist mit mehr als 140 Beamten die größte Einzeldienststelle in Hessen. Unter anderem mit großangelegten Razzien hat sie viel Aufmerksamkeit erregt. Diese seien sehr erfolgreich gewesen, es seien Drogen im Wert von mehreren Millionen Euro sichergestellt worden, sagt der für Sicherheit zuständige Stadtrat Markus Frank (CDU). Zugleich gehe es darum, Strukturen zu beobachten und gegen Hintermänner vorzugehen.

„Die Situation hat sich verändert, es gibt einen regelrechten Strukturwandel im Viertel, aber man kann nicht sagen, es gäbe keinen Drogenabhängigen mehr, das würde auch schwer werden. Das Bahnhofsviertel ist ein Hotspot des Drogenhandels in der Stadt und der ballt sich inzwischen auf kleiner Fläche“, sagt Frank. Der angestrebte Wandel des Viertels sei ein langer Prozess, der vermutlich noch Jahre dauern werde.

„Du kannst hier Drogen kaufen oder verkaufen, es passiert dir nichts“, sagt Ulrich Mattner, Vorsitzender des Gewerbevereins Bahnhofsviertel, der auch Führungen durch den Bezirk anbietet. Die Stadt müsse ihre Drogenpolitik überdenken, sonst könne er sich nicht vorstellen, dass sich wirklich etwas ändere. Mattner plädiert für die staatliche Abgabe von Drogen an langjährig Abhängige, um die Kriminalität zu beenden. Zudem seien mehr sichtbare Polizeistreifen nötig, die auch nachts unterwegs seien. Gleichwohl dürfe nicht das gesamte Viertel schlechtgeredet werden, sagt Mattner. Der Problembereich befinde sich im Bereich der Taunusstraße. „Hier wird die Stimmung immer aggressiver und bedrohlicher.“ An anderer Stelle gebe es dagegen eine sehr gute Entwicklung.

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